Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
selbst. Aber das heißt doch dann auch, dass sie etwas kocht, das allen schmeckt. Wozu hat sie ihn denn sonst gefragt, auf was er Lust hat? Und sie muss doch wissen, dass dieses komische grüne Essen hier niemandem am Tisch schmeckt, außer vielleicht ihr. Sie kennt uns doch, denkt Uwe.
Aber es hat keinen Sinn, sich zu beschweren. Wenn er am Eintopf herummeckert, ist der Abend gelaufen. Anke wird sauer sein und ihn das spüren lassen. Und für die Kinder wäre es eine Steilvorlage. Er sieht doch, wie lustlos Andreas im Essen stochert. Aber wenn der Kleine jetzt, durch Papa ermutigt, anfängt zu mosern und Mareike mit einfällt, werden die Kinder bestimmt ohne Gutenachtgeschichte ins Bett geschickt. Und das Vorlesen ist Uwes letzte Chance, vor der Dienstreise noch etwas Zeit mit den Kindern zu verbringen. Nein, diesen Nervenkrieg möchte sich Uwe nicht antun. Also schaufelt er den pappigen Grünkohleintopf in sich hinein und bringt sogar ein Lächeln zustande: »Lecker, Anke!«
Die meisten Männer gehen zu Hause den Weg des geringsten Widerstands. Sie mucken nicht auf, wenn ihnen etwas nicht passt; sie sind lieber still, denn einen Streit und das lange Schmollen hinterher wollen sie nicht riskieren. Lieber machen sie gute Miene zum bösen Spiel, um Mutti nicht zu verärgern. Was Mutti ihnen zuteilt, wird schon das Richtige sein.
Sogar wenn es um ihre Arbeit geht, sind Männer weisungsgebunden. Eine bessere Stelle in einer anderen Stadt wurde angeboten? Mutti will nicht umziehen, also bleibt alles so, wie es ist. Eine Karrieremöglichkeit innerhalb des Unternehmens? Er zögert, weil er dann noch mehr unterwegs sein müsste. Mutti redet ihm zu, dass er bloß nicht auf das zusätzliche Gehalt verzichten solle.
Warum nur kuschen die Männer so sehr vor ihren Frauen? Warum überlassen sie ihnen die großen und kleinen Entscheidungen im Alltag, die Kindererziehung und sogar die Definition dessen, was der Mann zu wünschen und zu fühlen hat?
Eine Kuh wird vom Bauern mehrmals täglich gefüttert, ihr warmer Stall wird regelmäßig gereinigt, sie wird mit Antibiotika behandelt, damit sie nicht krank wird, sie muss keine Feinde fürchten. Sie muss nur dastehen, fressen, wiederkäuen – und Milch geben. Ich weiß nicht, ob eine Kuh, die nie im Leben die Sonne auf ihrem Fell spürt, glücklich ist oder nicht. Ich weiß nur, dass sie nichts anderes kennt.
Manche Männer leben wie Kühe. Das sind die Pantoffelhelden. Lebt ein Mann so, dann hat die Gemütlichkeit, für die eine Frau sorgt, von der er emotional abhängig ist, einen hohen Preis: Es bleibt ihm kein eigener und selbstbestimmter Freiraum. Sobald so ein Mann nicht mehr mitspielen würde, stünde sein kuscheliges Zuhause auf dem Spiel. Jeder Ausbruchsversuch würde mit dem Entzug der gewohnten Wohltaten bestraft. Essen, Kleidung, Sex, Freizeit, Umgang mit den Kindern – überall bestimmt Mutti, und alles kann von ihr herabgestuft, eingedampft, zurechtgestutzt werden. Bis der Mann einknickt und sich freiwillig wieder in seinen Koben stellt.
Schon bei seiner eigenen Mutti hat er gelernt, dass es besser ist, jeden Konflikt zu vermeiden. Und weil sich viele Männer nicht wirklich von ihren Müttern emanzipiert haben und das Modell Hotel Mama in die Beziehung mitnehmen, ist das System perfekt: Mutti-Söhne machen die Partnerin zur Ersatzmutter. Sie suchen sich Frauen, die da mitspielen, die dasselbe Modell leben. So wird die Rundumversorgung für ihn ein Leben lang gewährleistet.
»Du kochst so lecker, Schatz! Das könnte ich nie!«, »Ich kann einfach nicht bügeln, bei mir wird das nie so glatt wie bei dir«, »Steh du auf, Liebling, und kümmere dich um den Schreihals; ich habe morgen einen wichtigen Termin«, »Schreib du den Brief an Tante Erna, ich kann so was nicht.« Dass die Söhne unter Muttis Ägide nie gelernt haben, sich selbst zu versorgen und den ganz normalen Alltag zu bewältigen, ist für sie bequem, macht sie aber auch abhängig und gibt den Partnerinnen das perfekte Druckmittel an die Hand.
Solange seine Mutter noch lebt, steht ein Mutti-Sohn zwischen den beiden Frauen in seinem Leben und muss beider Ansprüche gleichzeitig befriedigen. Er hat also im Grunde zwei Vollzeitjobs: einen, für den er das Geld auf das Familienkonto überwiesen bekommt, mit dem er seinen Wohnzimmersessel bezahlt, und einen, mit dem er bei Mutti 1 und Mutti 2 für das Recht bezahlt, auf ihm auch sitzen zu dürfen.
Die französische Presseagentur AFP berichtete im
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