Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
unerklärliche Verschwinden von Werkzeugen oder anderen Arbeitsgeräten – es gibt keine objektiven Beweise. Deshalb ist es ja so schwer, sich dagegen zu wehren.
In der Arbeitswelt hat man längst erkannt, dass Mobbing eine Verhaltensweise ist, die großen Schaden anrichtet – und bekämpft sie professionell. Auch in der Schule gibt es zahllose Programme und Anlaufstellen für Mobbingopfer. Doch die Königinnen des gepflegten Psychoterrors sind bislang unerkannt geblieben: Es sind die Muttis, die das Mobbing zur Kunstform erhoben haben. Für die pubertierende Tochter rutscht das für die morgige Shoppingtour mit Freundinnen dringend benötigte Kleidungsstück wie von Zauberhand im Wäschekorb ganz nach unten. Die Freunde des Sohnes sind schon seit Wochen nicht mehr im Haus gewesen, weil immer wieder etwas dazwischenkommt – entweder muss genau an dem für den Wettkampf an der Spielkonsole geplanten Nachmittag der Anzug für die Konfirmation im übernächsten Monat gekauft oder der Komposthaufen im Garten dringend vom Junior umgesetzt werden. Die Möglichkeiten, die Familienmitglieder zu terrorisieren, ohne dass diese einen Ansatzpunkt finden können, um sich zu wehren, sind unendlich. Die Frage ist nur, ob da ein Starker einen Schwachen unterdrückt.
Klar – Mobbingopfer sind schwach und damit prädestiniert dafür, dass andere ihr Mütchen an ihnen kühlen. Kinder sind sowieso chancenlos. Und die Älteren strahlen geradezu aus, dass sie das Recht auf ein eigenes Leben und eigene Gefühle nicht für sich in Anspruch nehmen. Ob in der Firma, in der Schule oder in der Familie: »Erfolgreich« Gemobbte bringen es niemals über sich, um sich zu hauen und sich gegen die 1000 Nadelstiche aus dem Hinterhalt zu wehren.
Und diejenigen, die mobben? Die Starken würden die Differenzen offen austragen und eben keinen hinterhältigen Krieg führen. Sie konkurrieren, diskutieren, lassen Fetzen fliegen. Sie stehen für ihre Wünsche und Überzeugungen ein.
Muttis aber kämpfen nicht mit offenem Visier. Sondern heimlich und hintenherum. Eine Mutti wird niemals offen sagen: »Wenn du weiter meine Position infrage stellst, dann werde ich dir das Leben schwer machen.« Indirekt und aus der Deckung heraus agierend erreicht sie ihr Ziel. So muss sie sich nicht der Kritik stellen und kann eventuelle Ansätze zur Gegenwehr mit einem »Ich weiß gar nicht, was du hast« abwürgen.
Mobbing ist also der Kampf zweier Schwacher. Der eine hat es nötig, so zu handeln, der andere hat nie gelernt, dem ein Ende zu setzen.
Muttis sind im Innersten schwach. Trotzdem schaffen sie es zu herrschen. Doch ihnen geht es nicht um Herrschaft an sich. Kontrolle auszuüben ist nur Mittel zum Zweck. Noch größer als die Furcht vor dem Kontrollverlust ist die Furcht vor dem Sinnverlust. Sie haben ihr Leben dem Kind und der Familie geweiht, und wenn die Kinder fort sind, dann hat auch Muttis Leben keinen Inhalt mehr. Mutti wird überflüssig, wenn die Kinder auf eigenen Beinen stehen. Und das will sie auf keinen Fall.
Denn sie ist in ihrem tiefsten Herzen unsicher. Jede Mutti ist ja selbst das Produkt einer Mutti-Erziehung, und das heißt: Sie ist emotional unselbstständig. Sie hat keine eigenen Ziele und Wünsche im Leben. Sie kann keine Bestätigung in ihren Erfolgen finden, weil sie nie gelernt hat, Erfolge anzustreben. Stattdessen braucht sie immer wieder die Bestätigung durch andere. Sie ist nur dann wahrhaft stolz auf sich, wenn die Kinder ihr sagen: »Mutti, du bist die Beste! Danke!« Darum achtet sie darauf, dass ihre Kinder nicht zu selbstständig werden, sondern sich ein Leben lang in ihrer Schuld sehen wegen all der Zuwendung, die sie ihnen gibt. Mutti will gebraucht werden, das ist ihr Lebenszweck. Muttis grenzenlose Liebe ist also eigentlich Ausdruck einer grenzenlosen Bedürftigkeit.
6
Verschlingen oder erdrücken
»Und weißt du, Papa, der Tobi hat ein voll cooles Spiel auf seinem iPhone, das lässt er mich spielen, wenn er die Hausaufgaben bei mir abschreiben darf.«
»Machst du auch sonst noch was mit Tobi?«
»Manchmal hängen wir nach der Schule noch zusammen ab, mit Yasin und Niklas. Aber meistens holt Tobis Mutter ihn gleich ab, das nervt voll. Die schaut uns immer so an, als müssten wir jetzt auch nach Hause gehen.«
Dominik sitzt auf seinem Schreibtischstuhl und baumelt mit den Beinen. Sein Vater Kai sitzt auf dem Bett. Endlich hat er einmal Zeit, sich ganz entspannt mit Dominik zu unterhalten.
»Hast du auf deinem
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