Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
Auto, mit dem er zur Arbeit fuhr. Und seine harmonische Familie. Erics Frau hatte eine halbe Lehrerstelle am Gymnasium und kümmerte sich den Rest der Zeit um die drei Töchter. Wenn diese Musterfamilie am Wochenende gemeinsam Fahrradtouren unternahm, sah alles perfekt aus.
Alles schien bestens. Doch irgendwann schaffte es Eric nicht mehr, den schönen Schein aufrechtzuerhalten. Die Beziehung war zerrüttet, er trennte sich von seiner Frau, die Scheidung folgte. Bei den Kindern wollte er eine übliche Regelung, um sie möglichst oft zu sehen. Wie meist der Fall, wohnten die Kinder bei der Mutter. Aber die begann, die Besuche der Kinder bei ihrem Vater zu sabotieren.
Muttis haben da ein großes Repertoire. Sie fing an, gegenüber den Kindern schlecht über ihren Exmann zu reden und ihnen ein schlechtes Gewissen einzuimpfen, wenn sie bei ihm waren. Übergabetermine klappten nicht, immer öfter behauptete die Frau, ihre Kinder seien krank, und so weiter. Als klar wurde, dass ihr geschiedener Mann nun mit einer anderen Frau zusammenlebte, intensivierte sie ihr Sabotageprogramm und versuchte als weiterhin allein lebende Frau, die Kinder ganz bei sich zu behalten und sie immer massiver gegen ihn aufzuhetzen. Sein Sohn, ganz offensichtlich in einem starken Beziehungskonflikt gefangen, weigerte sich schließlich bei einer vereinbarten Übergabe in ihrer Gegenwart, zu seinem Vater zu gehen. Seine Tochter berichtete Eric an diesem Wochenende, dass ihre Mutter verhindern wollte, dass sich die Kinder mit seiner Neuen gut verstünden. »Die Mama hat Angst, dass wir dann ganz bei dir leben wollen.«
Eric ging das Machtspiel seiner Exfrau zunehmend an die seelische Substanz. In ziemlich schlechter Verfassung kam er schließlich zu mir in die Therapie. Eric fühlte sich erschöpft und ausgelaugt. Er konnte mit unerwarteten Ereignissen schlecht umgehen, spulte nur noch seine Routinetätigkeiten ab. Schmerzen in Rücken und Nacken plagten ihn. Er wurde zunehmend antriebslos, was seine neue Frau sehr besorgte. Diagnose: eine leichte bis mittelschwere Depression und beginnender Burn-out.
Die obligatorische Nachfrage nach seiner eigenen Herkunftsfamilie brachte eine der üblichen Mutti-Geschichten ans Tageslicht, wie ich sie in meiner Praxis schon so oft gehört habe. Als Erwachsener hatte er dann mit der Wahl seiner Frau die Fortsetzungsgeschichte gebucht. Nun galt es zu verhindern, dass seine Kinder dem vererbten Drama einen weiteren Teil hinzufügten.
»Jetzt hänge ich hier bei Ihnen rum und jammere Ihnen die Ohren voll«, kommentierte er selbstironisch sein Verhalten. »Meine Familie hat wirklich etwas Besseres verdient als so einen Jammerlappen. Wenn ich wegen diesem Mist meinen Job verliere …«
»Sie versuchen also, Ihrer Familie zuliebe Ihren Job zu behalten. Und was ist mit Ihnen? Wie fühlen Sie sich bei der Arbeit?«
Eric starrte mich groß an. Eine ganze Weile lang war er still.
»Das hat mich noch nie jemand gefragt«, sagte er erstaunt.
Dann ganz leise: »Gestresst, unzufrieden, unglücklich … Es frisst mich auf, ständig etwas zu verkaufen, von dem ich nicht überzeugt bin. Aber man muss schließlich sein Geld verdienen, nicht? Und die meisten Jobs sind nicht wirklich sinnvoll, da ist meiner auch nicht schlechter als andere.«
Wieder eine lange Pause. »Im Grunde habe ich bisher mein Leben vertan.« Pause. Plötzlich fielen Tropfen von seinem Kinn auf die Hose. Eric wischte sich über die Wange und starrte verblüfft seine feuchte Hand an. Er konnte kaum glauben, dass er weinte.
In der folgenden Zeit versuchte Eric, mehr auf seine eigenen Gefühle zu achten, seine Meinung zu sagen. Er kündigte seinen Job und fing bei einem kleinen Anbieter neu an. Bei seinem neuen Chef versuchte er von Anfang an, auch mal »Nein« zu sagen. Nein zu Wochenendarbeit, nein dazu, dass er auch abends berufliche Anrufe entgegennehmen müsse. Manchmal gelang es ihm, aber oft ließ er sich doch noch breitschlagen. Auch im privaten Umfeld versuchte er, seine eigene Position zu erspüren und dann auch zu vertreten.
Er begann, seine Interessen deutlicher in den Vordergrund zu stellen, und legte sich schließlich – endlich! – mit seiner Exfrau an. Er beschwerte sich beim Jugendamt über ihre Sabotagestrategie. In zwei gemeinsamen Terminen beim Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamts wurde die Mutter schließlich dazu verpflichtet, die Besuche der Kinder bei ihm zu fördern, statt zu hintertreiben. Doch erst als ihr der Entzug
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