My Story. Streng geheim. - Aller guten Jungs sind drei
Augenblick, geschah etwas sehr Merkwürdiges. Ich sah, dass seine Augen keine grünen Funken mehr sprühten, es leuchtete nicht mal der kleinste, bescheidenste Funke auf, nein - auf einmal waren Emirs Augen voll trüb. Ohne Licht. Ganz ohne Feuer. Blickten nur traurig und irgendwie auch sehr, sehr enttäuscht. Plötzlich fühlte ich mich echt mies und kapierte wohl zum ersten Mal überhaupt, was ich ihm angetan hatte: Da hatte der Junge den (vermutlich ungeliebten) Ferienjob im mütterlichen Gemüseladen geschmissen, hatte seine Sachen in einen schäbigen Rucksack geworfen, hatte sich an die Straße gestellt, den Daumen in die Luft gehalten und sich als Anhalter unter Missachtung aller damit verbundenen Gefahren bis ins Allgäu durchgeschlagen. Und wozu? Um mitten auf dem Burgberger Festplatz seine Zippi in den Armen eines anderen zu sehen, inklusive verliebtem Lächeln und wunderschönen Plastikrosen in mehrheitlich roter Farbe.
Das musste ihm einen furchtbaren Schock versetzt haben. Aber niedergeknüppelt hatte es ihn nicht; anstatt beleidigt nach Hause zu fahren, hatte er seinen Schlafsack in Zenzas Stadel ausgelegt, hatte sich erst mal beruhigt und die Verhältnisse abgecheckt. So weit, so gut. Trotzdem.
»Gleich am ersten Abend hast du dich aber in Nele verliebt.«
Er rappelte sich ohne meine hilfreiche Hand auf.
»Ich dachte, ich hätte mich verliebt«, erklärte er und tastete seinen Po ab. »Autsch! Voll auf die Knochen!«
Er verzog das Gesicht, griff nach meinem Arm und humpelte weiter. »Genau das, Zippi, war mein Fehler. Es war ein Irrtum.«
Was für ein übler Schlamassel!
»Nele liebt dich. Für sie sind deine Küsse etwas ganz Intimes.«
Er sagte nichts, bis wir vor der Tür des Ferienhauses standen, das Nele mit ihrem Vater bewohnt. »Und jetzt?«, fragte ich ihn.
»Über schlechte Zeiten darf man nicht jammern, sagt meine Oma Sevde immer. Man muss schauen, wie man sie ändert.«
»Welche schlechten Zeiten?«
Plötzlich waren seine Augen wieder voller grüner Funken. »Nun sei doch nicht so neugierig, Zippi!«
In dem ehemaligen Stadel, der jetzt ein gemütliches Ferienhaus ist, waren alle im Wohnraum versammelt. In dem großen, aus grauen Feldsteinen gemauerten Kamin brannte ein Feuer, davor saß, fest in dicke Decken gehüllt, ein weißgesichtiger kleiner Junge in einem riesigen Sessel.
Marta kniete vor ihm und hielt ihm eine Tasse an die Lippen. »Trink«, munterte sie ihn auf. »Dann wird dir gleich wieder warm.«
Irgendwer hatte Früchtetee gekocht; Neles Vater reichte uns zwei Becher, ich nippte daran und verzog das Gesicht. »Puh, ist der süß!«
»Ich hab ihn zubereitet. Schmeckt er dir nicht?«, fragte Nele besorgt.
»Wahrscheinlich wird er mir schmecken«, wich ich aus und
nahm einen herzhaften Schluck. Und noch einen … und auf einmal war der Becher leer. Eifrig füllte ihn Nele ein zweites Mal. »Je mehr ich davon trinke, umso besser schmeckt er mir«, erklärte ich ernsthaft und fragte mich, warum meine Knie, nein, meine Beine weich wurden, wo doch Emir den Arm um Nele gelegt hatte und ich seine Augen und somit die grünen Funken darin nicht sehen konnte. »Was’n das für ein komischer Tee?«, murmelte ich.
»Tee?«, wiederholte Rosi, nahm mir die Tasse ab und kostete. »Das ist nicht der Tee!«, rief sie. »Nele, du hast Zippi Glühwein eingeschenkt!«
»Tee oder Glühwein … was macht das schon.« Meine Ohren waren voll mit Watte. »W… Wer hat den Kleinen gefunden?«, erkundigte ich mich, wobei meine Stimme überhaupt nicht so klang, wie ich es gewohnt war.
Gundi drückte mir ein Stück trockenes Brot in die Hand. »Zippi, stell den Becher weg, der Glühwein ist nichts für dich. Wir, Marta und ich, haben ihn gefunden. Nicht weit den Berg hinauf saß er auf einem Stein, der tapfere kleine Junge.«
»Aaaber warum hat ihn sein Vater vvverloren? Hat er denn nicht gggerufen?«
Emir und ich erfuhren, dass der Vater genau wie Emir und ich ausrutschte, ein Stück weit in die Tiefe sauste und von niederen Föhren und Gebüsch aufgehalten wurde. Zum Glück hatte er die Hand seines Kleinen losgelassen, somit rutschte er nicht mit dem Vater hangabwärts. Nicht auszudenken, was hätte geschehen können!
Der Junge rührte sich nicht vom Fleck, allerdings fand ihn der Vater im dichten Hagel nicht mehr. Er rief natürlich nach ihm, der Junge schrie sich auch fast die Lunge aus dem Leib, aber in dem Toben hörte keiner vom anderen.
Das machte Sinn. »Uuund wo ist jetzt
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