My Story. Streng geheim. - Aller guten Jungs sind drei
nicht wahr, und las weiter.
»Zippi!«
»Hm?«
»Zippi, wo ist Emir?«
Ich las und las. »Na, wo wohl? Bei dir, Nele.«
»Wenn er bei mir wäre, würde ich ihn nicht suchen, und ich würde dich auch nicht fragen. O. K.?«
Jetzt ließ ich das Buch schweren Herzens sinken. »O. K. Er ist nicht bei dir, er ist nicht hier. Wo ist er?«
»Das frage ich dich! Hast du ihn heute schon gesehen?«
»Ich bitte dich, Nele! Gestern hat er Marta und mich bis vor die Jägeralpe-Tür gebracht, Marta hat ihm einen Gutenachtkuss für Franzl mitgegeben, und seitdem habe ich ihn nicht mehr gesichtet. Noch Fragen?«
»Ja. Wo ist er?«
Ich seufzte. »Weil ich kein Hellseher bin, weiß ich das nicht. Ich weiß auch nicht, wie das Buch ausgeht; weil aber die Geschichte superspannend ist, möchte ich das wissen. Das bedeutet, Nele: Ich will lesen.«
Nele zog einen Stuhl heran. »Ich könnte dir sagen, wie die Geschichte ausgeht«, bot sie an.
»Ich lese lieber. Vielen Dank.«
Nele wartete, ob ich’s mir nicht doch noch anders überlegen würde. Aber dazu hatte ich keine Lust; ich wollte mir weder das Ende der Geschichte berichten lassen noch ihre Vermutungen, Emirs unerklärliche Abwesenheit betreffend, anhören.
Nach einiger Zeit gab sie auf.
Ich las weiter.
Alles war hier heroben sehr still. Weil es ruhig war und ruhig blieb, wurde ich neugierig. Ich hob den Kopf und sah, wie Nele die Ellbogen- und Knieschützer anlegte; das kleine Geräusch, das dabei entstand, kam von den Klettverschlüssen.
Danach stand Nele auf und machte, die Hand an einem Tisch, ein paar Schritte. Sie umrundete den Tisch, und wieder und wieder, dann gab sie das Rundherumgehen auf und ging hin und her.
Ich las. Zehn Seiten weiter - die Heldin hatte mit dem Jungen eine Wette abgeschlossen, sich nie wieder zu verlieben, aber er setzte alles daran, dass sie die Wette verlor, was ich auch hoffte - fieberte ich dem Ende des Buches entgegen. Ich überlegte gerade, ob ich die Mitte auslassen und gleich den Schluss lesen sollte, als Nele die Hand vom Tisch nahm und frei, echt total ohne Stütze, von einer Seite der Terrasse zur anderen ging.
Mutig, mutig, dachte ich und las weiter, ohne gleich nach hinten zu blättern. Allerdings waren meine Gedanken nicht mehr ausschließlich beim Liebesglück meiner Heldin; ich überlegte gleichzeitig, was passieren würde, wenn Nele hinfiel. Würde sie sich das kaputte, aber fast verheilte Bein brechen? Das wäre ein echter Mist. Wir müssten zum dritten Mal in diesen Ferien die Bergwacht rufen, hätten allerdings den Vorteil, dass sich der Unfall auf unserer Terrasse und bei warmem Wetter zutragen würde, weshalb ich auf Mütze, Schal und Handschuhe verzichten könnte.
Jetzt hatte Nele die Bank an der Hauswand erreicht; sie setzte sich, streckte das fast wieder funktionsfähige Bein aus und schaute zu mir herüber.
»Warum machst du das?«, rief ich ihr zu.
»Ich nehme mir ein Beispiel an Emir! Ich will nicht hinter ihm zurückstehen!«
Wie gesagt, für Nele war Emir der strahlende Held. Dem eiferte sie nach, sie wollte so mutig sein wie er, so tapfer, so entschlossen. Und warum? Weil sie ihn liebte. Das Dumme war nur, dass er sie, wie er mir gestern ja gestanden hatte, nicht liebte …
Nele nahm ihre Terrassenwanderung wieder auf. Eine geschlagene Stunde lang spazierte sie hin und her. Immer hin und her. Nele war zäh und hatte jede Menge Ausdauer. Das Tapp-Tapp-Tapp ihrer Schritte machte mich fast wahnsinnig,
ich wünschte mir einen Gesangsverein, einen Frauenclub, eine Omnibusladung Gäste her. Die Leute würden ihr nämlich den Platz auf der Terrasse streitig machen, aber leider wurde mir der bescheidene Wunsch nicht erfüllt.
Schließlich ruhte sich Nele wieder auf der Bank in der Sonne aus, ich klappte das spannende Buch zu und setzte mich neben sie.
»Na?«, fragte sie mit glänzenden Augen. »Wie mache ich das?«
»Cool. Echt cool. Du trainierst ganz ohne Stock«, sagte ich anerkennend.
»Glaubst du, Emir wird stolz auf mich sein?«
»Hundertpro.«
»Wirklich?«
»Tatsache.«
Sie öffnete die Spange in ihrem Nacken, schüttelte die blonden Schnittlauchhaare nach hinten, fasste sie zusammen und knipste die Spange wieder zu.
»Warum lässt du die Haare nicht offen? Ich finde das schöner.«
»Und Emir?«, fragte sie sofort.
»Mensch, Nele! Tu das, was du willst und für schön oder richtig hältst!«
»Aber Emir …«
Das Mädchen machte mich rasend, ehrlich! »Jeder Junge wird dich langweilig
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