My Story - Streng geheim - Doppelt verliebt haelt besser
Feiertagen erst recht nicht, weil er da Liegengebliebenes im Büro aufarbeiten muss. Als meine Ma noch bei uns war und wir eine Komplettfamilie waren, half sie ihm. Infolgedessen machten wir nie wie andere Leute kurze Ausflüge an den Bodensee, auf die Alb oder sonst wohin. Wenn wir Ferien machten, dann nur im Sommer. Wir flogen dahin, woâs warm und/oder interessant ist - nach Italien, nach Spanien, nach Marokko und so
weiter und so fort. Ich kenne die besten Eisdielen der Costa del Sol, ich habe die Tauben auf dem Markusplatz gefüttert, war Wasserskifahren auf dem Lago Maggiore und stand mir auf dem Petersplatz in Rom die Beine in den Bauch, bis ich schlieÃlich und endlich durchs Fernglas meines Pas den Papst als weiÃes Pünktchen sah. Ich weiÃ, wo man im Souk von Marrakesch um die besten Lederwaren feilscht. Ich war in London bei Madame Tussauds, wo ich zuerst der königlichen Familie mit einem tiefen Knicks meine Reverenz erwies, bevor ich zu meinen eigentlichen Lieblingen weitersauste: Ich habe Clooneys Mund mit den Augen geküsst und Brad Pitts Po gestreichelt. Ehrlich. Selbstverständlich war ich oben auf dem Eiffelturm und kenne Paris bei Tag und bei Nacht - Letzteres teilweise. Ich war in Istanbul und habe im dortigen Basar Weihrauchklümpchen gekauft, und zwischen den Ruinen der Akropolis, die sich oberhalb Athens befindet, lauschte ich einem zweistündigen Vortrag über Glanz und Gloria der Griechen vor meiner Zeit. Das alles ist nichts Besonderes für mich.
Aber am Bodensee war ich noch nie und die Alpen hab ich nur vom Flugzeugfensterchen aus betrachtet.
Marta ist, weil Gosebruchs unter chronischem Geldmangel leiden, nicht aus Stuttgart herausgekommen - die Schulausflüge zum Europapark Rust oder nach Tripstrill zähle ich nicht. Auf Schulausflügen beschäftigt man sich mit seinen Kameraden, aber nicht mit der Gegend und ihren Sehenswürdigkeiten.
Schade, dass ich das Alpen-Kennenlernen auf später verschieben musste. Die Berge wären für mich wirklich was Neues gewesen. Aber so ist eben das Leben; nie bekommt man, was man will.
Morgen, am Donnerstag, würde ich mir einen Job suchen.
Oder mit Cas an die Côte fahren. Heimlich natürlich. Bevor mein Pa was mitbekommen würde, wäre ich weg.
Tja, das dachte ich am Mittwochabend.
Donnerstag sagte ich Marta, dass ich die Alpensache abgeblasen hatte. Das brachte unser Verhältnis wieder in Ordnung, aber sonst war an dem Tag nix los.
Freitagmorgen, Freitagmittag, Freitagnachmittag auch nicht.
Am Freitagspätnachmittag tuschte ich meine Wimpern mit der neuen sündteuren Wimperntusche, die angeblich jedes Härchen einzeln färbt. Da schrillte das Haustelefon, ich hörte Olga, dann hörte ich den Lift, dann die Tür, dann kam Olga in mein Zimmer. Wie immer ohne anzuklopfen, was ich hasse.
»Für dich, Zita«, sagte sie und reichte mir ein Päckchen. »Expresspost.«
»Legâs auf mein Bett«, murmelte ich, weil ich gerade die verklebten Wimpern mit einem Bürstchen zu trennen versuchte. Von wegen Einzelfärben jeder Wimper!
Sie legte das Päckchen nicht aufs Bett. Sie drehte es hin und her und buchstabierte: »Hubertus Hintermayer.«
Meine Hand zuckte nur ein bisschen, aber es reichte, dass das Bürstchen an mein Auge kam.
Sofort begann der Wasserfluss und der Schlamassel war da.
Ich blinzelte durch die Tränen und riss das Papier auf. Trotz meiner Hast war ich klug genug, mit dem Anschauen zu warten, bis Olga mein Zimmer verlassen hatte. Sie hat es ungern verlassen, so wie sie die Tür hinter sich ins Schloss warf.
Dann breitete ich den Segen auf meinem Bett aus.
Dieser bestand aus folgenden Teilen:
Vier Prospekte über »Die Alp«. Richtig gelesen; da stand Alp und nicht Alpen.
Dann gab es einen über »Die Sennalpe«. Bitte was ist sennen?
Und worin besteht der Unterschied zwischen Alp, Alpe, Alpen?
Eine Landkarte.
Drei Broschüren über besondere Sehenswürdigkeiten der Gegend.
Ein Faltblatt, das übers »Käsen« informiert. Auf Hochdeutsch: Käseherstellen.
Ein Faltblatt über ein »Erlebnisbad«.
Eines über was ganz Komisches. Ãbers Kneippen. Noch nie davon gehört.
Eines über Heubäder. Ich versteh ja, dass die Eingeborenen, die im Süden zwischen den Steinen ihr kärgliches Leben fristen, nach Wasser lechzen; aber muss man ersatzweise auf Heu zurückgreifen? Und
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