Mylady Adelshochzeit 01
fragte sie sich. Verkrieche ich mich in meinem Zimmer und stecke den Kopf unter die Bettdecke, bis morgen dann mein Name … der Name unserer Familie … durch den Schmutz gezogen wird?
Sie hatte vorausgesetzt, in Ruhe überlegen zu können, wie sie vorgehen sollte. Nun sah sie sich in dieser Hoffnung getäuscht; sie stand am Rande des Abgrunds. Ein Schluchzen unterdrückend stützte sie sich schwach auf eine kleine Mauer, ohne die neugierigen Blicke eines Passanten zu beachten.
Nur ein Mann könnte sie retten – Mark Hunter. Er hatte um ihre Hand gebeten, falls man es denn so nennen konnte, und einzig ihr Stolz gestattete ihr nicht, die Gelegenheit beim Schopf zu fassen; denn diesen halbherzigen Antrag verdankte sie nur seinem Pflichtgefühl und der Tatsache, dass er sie begehrte. Aber würde sie eine solche Ehe ertragen können? Zwar wäre sie als seine Gattin vor den Lästerzungen sicher, doch niemals könnte sie sich mit dem schmerzliche Wissen abfinden, dass er immer wieder die Nächte bei seiner Mätresse verbringe würde. Seinen Namen würde sie zwar besitzen, jedoch Mrs. Emerson seine Liebe.
Energisch wischte Emily sich über die feuchten Augen. So niedergeschlagen wie sie war, gab es nur eine Person, mit der sie reden konnte. Helen. Helen würde sie nicht verurteilen. Sie waren verwandte Seelen. Ehe Helen, früh verwitwet, Sir Jason Hunter heiratete, hatten Umstände sie gezwungen, ihren guten Namen zu riskieren. Sie kannte die Furcht, vielleicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden.
Emily machte entschlossen kehrt und steuerte den Grosvenor Square an.
17. KAPITEL
„Mir geht es gut, Cedric, danke“, log Emily auf die Frage des Butlers.
Das alte Faktotum führte sie in die große, mit Marmor ausgelegte Halle des herrschaftlichen Stadthauses, sagte dann aber ein wenig besorgt: „Mir ist gerade eingefallen, dass Lady Hunter hinaufgegangen ist, um sich das Haar richten zu lassen, Miss. Es ist bald Zeit zum Dinner.“
„Oh … dann gehe ich besser wieder.“ Emily, der jedes Zeitgefühl abhanden gekommen war, schaute zu der ehrwürdigen Standuhr. Tatsächlich, es war schon Viertel vor sieben, eine Stunde, zu der nicht einmal mehr formlose Besuche bei einer engen Freundin statthaft waren. Mit einem entschuldigenden Lächeln wandte sie sich zur Tür.
„Emily!“, rief Helen in diesem Moment voller Herzlichkeit. Anmutig kam sie die elegant geschwungene Treppe herunter und eilte ihrer Freundin entgegen. Sie hakte sie unter und führte sie weiter ins Haus.
„Ellen, ich will nicht bleiben. Mir war nicht klar, dass es bereits so spät ist. Du bist ja schon zum Dinner gekleidet.“
Helen wehrte den Einwand ab. „Natürlich bleibst du! Jason ist sowieso noch nicht hier.“ Einen gespielt verzweifelten Blick zur Decke sendend fügte sie hinzu: „Nimmt wahrscheinlich ein belebendes Schlückchen mit seinem Bruder. Er wollte nämlich zu ihm.“ Als sie Mark erwähnte, ließ sie Emily nicht aus den Augen und nahm zufrieden deren flüchtiges Erröten zur Kenntnis. Sie sah aber auch, dass die zarten Züge der Freundin ungewöhnlich bleich und ihre Augen dunkel umschattet waren.
„Komm mit in den Blauen Salon, Emily. Ich habe ihn neu einrichten lassen. Sag, wie gefällt er dir?“
Emily sah sich um, lobte Helens hervorragenden Geschmack und ließ sich von ihr auf ein blau-weiß gestreiftes Sofa drücken.
„Ich lasse eine Erfrischung bringen“, sagte Helen und wollte läuten, doch Emily hielt sie zurück. Da sie sich jedoch so liebevoll umsorgt sah, konnte sie sich nicht länger beherrschen. Ihr kamen die Tränen, sodass sie ihre Augen rasch hinter einer Hand verbarg.
„Emily, sag, was ist los?“, fragte Helen erschrocken und nahm ihre Freundin tröstend in die Arme. „Ich sah doch auf den ersten Blick, dass etwas nicht stimmt.“
„Ach, Helen! Ich hörte heute Nachmittag, dass Mrs. Pearson wieder in London ist, und ich weiß nicht, wie ich das aushalten soll!“
Helen tätschelte Emily beruhigend. „Ich weiß, sie ist ein Drache, aber sie kann dich doch nicht fressen“, sagte sie leichthin, sorgte sich jedoch insgeheim, denn normalerweise war ihre Freundin nicht unterzukriegen und neigte nicht zu Tränenströmen.
Trotz ihres Kummers musste Emily ein wenig kichern, schwieg aber einen Moment, denn sie musste erst Mut sammeln, um ihre Geschichte zu erzählen.
„Hat Tarquin der alten Hexe etwas zu tratschen gegeben?“, fragte Helen vorsichtig. „Ich hörte, er ist wieder
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