Mylady Adelshochzeit 01
werden sie Sie, ohne zu zögern, jedem Mann geben, der um Sie wirbt. Aber glauben Sie mir, Stephen Bond wird nicht um Sie anhalten. Er mag in Sie verliebt sein, vielleicht sogar eine feste Bindung erwägen, aber er wird nicht seine Erbschaft aufs Spiel setzen, indem er eine Frau mit schlechtem Ruf heiratet. Denn wenn die Pearson erst ihr Gift verspritzt hat, wird seine Großmutter nicht zulassen, dass er zum Gespött wird und den Familiennamen beschmutzt.“
Emily zuckte zusammen. Schon als ihr Ruf noch intakt gewesen war, hatte Mrs. Bond ihr offen gesagt, dass sie sie nicht als passende Partie für ihren Enkel betrachtete. Entmutigt gestand sie sich ein, dass Stephen kein Mann war, der sich der Konvention verweigerte.
Mark schritt zur Tür, doch anstatt sich zu verabschieden, lehnte er sich lässig gegen das Türblatt, die Arme über der Brust verschränkt. Eine lange und für Emily sehr ungemütliche Weile musterte er sie eindringlich. „Ich erwäge wirklich, Sie zu heiraten, meine Süße“, sagte er endlich, „doch nicht, weil ich mich dazu verpflichtet fühle, sondern weil ich mir vorstelle, dass es seinen Reiz hat, eine freizügige Person zur Gattin zu nehmen.“
Zwischen Wut und Scham schwankend eilte Emily in ihr Zimmer. Nachdem Mark Hunter nach Abschuss jenes giftigen Pfeils abrupt gegangen war, wollte sie nur noch allein sein, doch selbst ein wenig Ruhe war ihr versagt, denn kurz darauf klopfte Tarquin an ihre Tür. In drängendem Flüsterton verlangte er, sie zu sprechen, gab aber schließlich auf, als sie nicht reagierte, und sagte etwas von Begräbnisformalitäten, die er nun erledigen werde.
Immerhin weckte das Intermezzo sie aus ihrer Lethargie, und sie beschloss auszugehen. Vielleicht verhalfen frische Luft und Bewegung ihrem wie betäubten Geist zu neuen Ideen. Sie hatte Sarah ein paar Tage nicht gesehen und sehnte sich nach einer harmlosen Plauderei. Warum sollte sie die Galgenfrist, die ihr noch eingeräumt war, nicht genießen? Es würde noch traurig genug werden.
Entschlossen ging sie hinunter in die Halle, nahm Handschuhe und Hut und machte sich auf den Weg.
„Wie schön, dich zu sehen, Emily!“ Sarah legte ihre Stickerei nieder, eilte der Freundin entgegen und drückte ihr warm die Hände.
Emily erwiderte die herzliche Begrüßung, froh, dass von der misslichen Stimmung ihres letzten Treffens nichts mehr zu spüren war.
Sarah klingelte nach Tee, dann bat sie Emily, Platz zu nehmen, und fragte eifrig: „Mein Papa sagt, Tarquin ist wieder da?
Welche Erleichterung für euch! Oder liegt er euch jetzt mit seinen Schwierigkeiten in den Ohren?“
Doch Emily brauchte auf dieses heikle Thema nicht einzugehen, denn Mrs. Harper kam herein.
Ehe sie noch einen Gruß sprechen konnte, erklärte Sarah: „Ach, Mama, Emily ist gekommen, deshalb werde ich dich nicht begleiten.“
„Oh, wenn du ausgehen möchtest … wir können uns morgen treffen“, bot Emily an.
„Nein, du musst bleiben, ich bitte dich!“, rief Sarah, während ihre Mutter schon den beiden Mädchen verständnisvoll zuwinkte und wieder entschwand.
„Weißt du, ich war drauf und dran, eine Migräne vorzutäuschen, um nicht mit Mutter zu dieser alten Hexe zu müssen!“, erklärte Sarah.
Erheitert lehnte Emily sich in das Sofa zurück; endlich spürte sie, wie sich ihre Bedrückung ein wenig löste. „Wer ist denn die Gastgeberin, der du so unbedingt aus dem Weg gehen willst? Mir fielen da ja mehrere ein“, spottete sie.
Sarah rückte sich gemütlich zurecht. „Stell dir vor, Mrs. Pearson hat das Festival in Guildford ausfallen lassen und ist schon wieder in London.“ Ohne die gequälte Miene ihrer Freundin zu bemerken, fuhr sie fort: „Und sie hat umgehend alle ihre Bekannten zu einer Teegesellschaft eingeladen! Mama sagt, dafür kann es nur einen Grund geben: Die Klatschtante hat irgendeinen Skandal ausgegraben und will die Erste sein, ihn zu verbreiten.“
Mr. Lomax wunderte sich sehr, als sein Herr zum zweiten Mal in dieser Woche äußerst missgelaunt heimkam.
Der Butler kam nicht einmal dazu, auf den wartenden Besucher hinzuweisen, so forsch marschierte Mr. Hunter, nur einen Gruß knurrend, an ihm vorbei.
Als er sein Arbeitszimmer betrat, fand Mark dort seinen Bruder vor, der, die Beine weit von sich gestreckt, in einem Sessel lehnte und sich innerlich an feinem Brandy, äußerlich am Kaminfeuer wärmte.
„Dir geht es offensichtlich gut, Bruder“, sagte Mark mürrisch.
Sir Jason blickte gemächlich auf und
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