Myrddin
Schwirren in der Luft, und dann hörte er das Klingen, auf das er so lange gewartet hatte, und noch bevor er die Richtung erahnen konnte, aus der die Flügelgeräusche kamen, flog etwas auf seine Brust, das nicht schwerer als eine innere Beklemmung war. Der Vanyar warf seinen Graumantel zurück und strahlte fröhlich in das wache Gesicht von Myrddin.
Es war Elwe, den der Zauberer gut kannte, ein Sohn des legendären Elwe Singollo.
„Elwe! sage mir, daß du es bist. Ich kann es sonst nicht glauben.“
Elwe lachte und stupste mit seiner Hand gegen Myrddins eingefallene Wange. „Ja, Myrddin. Hier sind wir!“ sagte er stolz.
„Wen hast du bei dir, Elwe?“ fragte Myrddin geistesgegenwärtig, da er sich erinnerte, daß Blondelfen nur sehr selten und äußerst ungern allein auf Reisen gingen. Und Elwe rief Caspar und Halvdan, die über den tief Schlafenden flogen und sich köstlich amüsierten. Sie kamen zu Myrddin herüber und setzten sich zu Elwe.
„Darf ich vorstellen: das ist Caspar … und an Halvdan wirst du dich bestimmt erinnern können, Myrddin.“
Die beiden Vanyar saßen auf seiner Brust neben Elwe, stupsten ihn ebenfalls an die Wange und waren so leicht, daß er selbst die Gewichte aller drei Elfen nicht spürte. Es war, als würde sich nur kalte Luft um seine Lungen legen, so federnd waren ihre Körper.
„Du hast gerufen … und da sind wir, Myrddin“, sagte Elwe. „Obwohl uns deine Angelegenheiten eigentlich nichts angehen und wir uns nicht einmischen wollen.“
„Langsam, Elwe … ganz langsam, bitte. Mir ist in den letzten Tagen einiges entgangen.“
„Hat er doch die Lieder vergessen.“ Caspar war bestürzt.
„Nein, er hat seine Lieder nicht vergessen“, sagte Myrddin erheitert, da er wieder in seiner Welt war. „Ich kann mich erinnern, daß ich von euch geträumt habe, besonders von dir, Caspar … und ich habe euch kommen sehen. Also kann ich mich meiner Lieder sehr wohl besinnen.“
„Du hast von mir geträumt, Myrddin? Was muß es für ein schöner Traum gewesen sein“, amüsierte sich Caspar auf elfische Weise. „Auf deiner Brust habe ich gesessen wie jetzt. Und einen anderen Myrddin haben wir aus einem tosenden Ozean gefischt. Und den nächsten Myrddin haben wir an den Strand gezogen …“
Selbst Myrddin mußte über die aufgesetzte Empörung von Caspar lachen.
„Verzeihe mir, Caspar. Ich weiß wieder, daß ich von euch nicht träumte, da kein Mensch von euch träumen kann. Nur habe ich es nicht für wahr halten können, wie du mir erschienen bist. Ich hielt es für eine … eine Vision. Mir scheint, daß ich meine Lieder doch vergessen habe, was …“, lachte Myrddin und freute sich über die Blondelfen bei ihm.
„Das habe ich befürchtet“, behauptete Halvdan zum Schein.
„Siehst du. Da hättest du recht gehabt. Du bist ein großer Prophet“, meinte Myrddin, der den Spaß von Halvdan aufgriff.
„So gut wie du bin ich allemal“, erwiderte Halvdan. „Lasse mich sehen … gib mir deine Hände … und öffne dein Herz und ich lese dir die Zukunft“, alberte Halvdan. „Oooo … da sehe ich Gestirne …“, spielte er überzeugend und sie mußten alle über die schauspielerischen Talente von Halvdan lachen.
„Du kannst es gut. Du hättest es den Menschen beibringen sollen, Halvdan. Dann hätten sie einen Schuldigen für ihre Irrtümer gehabt.“
„Myrddin: sie haben es von mir“, behauptete er mit ernster Miene.
Die Art der Elfen war es nicht, Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen, es sei denn, die Situation erforderte es. Und Situationen, die es erforderten, waren fast ausschließlich Krisen. Private und persönliche Fragen beleidigten die Vanyar, da sie die Auffassung vertraten, sich gegenseitig alles zu erzählen und zu berichten. Weiterführende Fragen gingen in die Privatsphäre, die sie demjenigen offenbarten, dem sie sie darlegen wollten. Außerdem war es eine primitive Art der Verständigung, die auf Fragen und Antworten beruhte. Sie teilten sich entweder mit, oder sie unterließen es. Was wären Antworten schon wert, die man nicht geben wollte? Und es kränkte ihre Intelligenz, eine Frage beantworten zu müssen, es sei denn, sie mußten sich eiligst über etwas beraten. Fragen gehörten nicht zu ihrem Umgang mit ihresgleichen, was Myrddin wußte. Nur wußte er nicht, wie die Blondelfen die gegenwärtige Situation einschätzten.
Natürlich würden die Elfen ihm seine Fragen verzeihen, da sie Rücksicht darauf nahmen, daß er eben nur ein
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