Myrddin
ihn überrascht an, und sie blickte so freundlich; er konnte mit seinen Augen durch sie hindurch, tief in ihr Inneres sehen, in dem er nicht den trügerischen Bazar vorgetäuschter Herzlichkeit und heuchelnder Intrigen hinter gespielten Trugbildern finden konnte, den er in den meisten Mensch gesehen hatte.
„William Myrddin, auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, sage ich dir, daß du ein sonderbarer Mann bist“, sprach sie leise zu ihm, bevor sie von der Bettkante aufstand und sich wieder zu Palluck an den Tisch setzte.
„Hast du eigentlich keinen Ausweis bei dir? Das würde uns doch sehr weiterhelfen.“
„Eine gute Frage, Leslie. Weißt du, ich habe das auch schon überlegt“, erwähnte Palluck.
Myrddin konnte die Frage nicht verstehen. Ausweise …? Passierscheine …? Brauchte man Ähnliches immer noch? Wenn er jedoch gestrandet war, könnte es sehr wahrscheinlich klingen, wenn er alles verloren hätte, da es ja auch kein Gepäck gab, das er hätte vorweisen können, und das würde den beiden Menschen sicherlich einleuchten, meinte er.
„Den Ausweis muß ich verloren haben, wenn ihr ihn nicht gefunden habt“, sagte er.
„Wenn du ihn nicht bei dir hast, mußt du das wohl, denn Jerry hat nichts gefunden, oder …?“ erwiderte Tralee sehr nachdenklich. „Falls du einen britischen Paß haben solltest, brauchst du kein Visum für Großbritannien. Hättest du aber keinen, dann bräuchtest du eine Aufenthaltsgenehmigung. Und hättest du sie nicht, tätest du besser daran, den Ausweis zu verlieren. Bist du eigentlich ein Brite, William – oder hast du eine andere Nationalität?“ erkundigte sie sich weiter.
„Leslie … Ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern“, sagte er und erkannte eine ganz neue Gefahr, über die er nicht nachgedacht hatte, als sich Palluck wieder in das Gespräch einmischte.
„Lasse ihn doch erst mal zur Ruhe kommen. Das hört sich ja an wie ein Verhör. Gib mir noch ’ne Flasche und wir trinken ein Gläschen zusammen, einverstanden …?“ sagte er ruhig und kümmerte sich wenig um die Herkunft seines Gastes.
„Falls er ohne Ausweis ist und von der Polizei aufgegriffen wird, Old Jerry, kommst du in Schwierigkeiten. Hast du dir das einmal überlegt? Dann nämlich beherbergst du einen Illegalen. Und die Einwanderungsbehörden sind in diesen Tagen nicht mehr so zimperlich, was das betrifft. Es wäre mir lieber, er würde mit der Sprache rausrücken und sagen, wie es ist, als daß wir uns Probleme aufladen, die uns nachher überrollen. Wenn William Hilfe brauchen sollte – und genau so sieht es aus –, sollten wir doch wenigstens wissen, wie wir ihm helfen können, oder? Das ist doch nur fair. Was kann er nicht alles ausgefressen haben. Vielleicht ist er sogar ein entflohener Sträfling und will nur irgendwo abtauchen, Jerry“, sagte sie, über die Unbedarftheit Pallucks verärgert.
„Leslie, nun ist gut! Gib mir noch ’ne Flasche und laß uns was zusammen trinken. William … für dich auch noch ein Schluck?“ fragte Palluck und Myrddin spürte die wachsende Spannung, so daß er einwilligte, um nicht weiter Verdacht zu erregen. Und er hatte durch die Herzlichkeit Tralees schauen dürfen, der eine große Sorge zugrunde lag.
„Und vielleicht kann Jerry morgen noch einmal zum Strand gehen und nachsehen, ob er noch etwas findet, an das ich mich erinnere. Wäre das nicht nur klug?“ fragte er mit bescheidener Zurückhaltung, da er fürs erste diesen Menschen ausgeliefert war, die ihn bewirteten, und das zumindest bis er wieder laufen konnte. Myrddin vertraute auf die Zeit und wollte weder Tralee noch Palluck manipulieren müssen, da er von ihnen zu lernen gedachte.
„Natürlich werde ich auf dem Strand sein … natürlich, William. Jeden Tag bin ich da … nicht wahr, Leslie? Jeden Tag … jede Woche und jeden Monat …“, lallte Palluck, der sich bereits müde getrunken hatte und den Streit in seiner Hütte nicht hören wollte. Das Streiten war ihm das Lästigste unter den Menschen.
Tralee hatte ihr Glas ärgerlich in einem Zug geleert, das ihr Palluck eingeschenkt hatte. Sie vertrug den Whisky aber nicht und war auf einen Schlag benebelt. Dann wurde ihr schwindelig, ihr Kopf taumelte etwas auf dem Hals und sie konnte den Whisky aus ihrem Blut leider nicht mehr herausfiltern.
Myrddin schmeckte das Lebenswasser, wie er es nannte. Doch er trank nicht über sein Maß.
„William ist ein guter Kerl … Laß ihn doch … er wird uns schon sagen
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