Myrddin
du dich erinnerst“, erkundigte sich Caspar.
„Hieß es nicht Elshyyn …?“ fragte Myrddin und Elwe machte deutlich, daß Beratungen thematisch gebunden seien und man die zwingende Offenheit in Gesprächen nicht willkürlich ausnutzen dürfe, nur um Dinge zu erfahren, die einen immer schon über die Blondelfen interessiert hätten, die man aber unter Umständen niemals erfahren würde.
Elwe sagte, daß sich Myrddin nach seiner Schlußformel noch einmal erkundigen sollte, und er sehen würde, was man zu Elshyyn zu sagen bereit wäre. Und feierlich hob er die Besprechung auf. Dadurch band er alle Beteiligten an ein Schweigegelöbnis über das Beschlossene und sie konnte sich wieder frei miteinander unterhalten.
Myrddin wagte es durch die Maßregelung durch Elwe nicht, sich erneut nach Elshyyn zu erkundigen, dafür aber erzählte er den Vanyar von der Geschichte des Meeres, von dem Mond, von den wechselnden Gezeiten, und sie verspielten sich in ihren Gedanken – frohgelaunt und munter die Dinge erwartend, die auf sie zukommen sollten.
XVIII
Bevor es tagte und Myrddin mit den Elfen befürchten mußte, daß Tralee und Palluck überraschend aufwachten, schwirrten die Elfen aus der Baracke und verfolgten in der kalten, düsteren Bucht den Plan, den sie mit Myrddin besprochen hatten. Sie wollten seinen Eschenstab an den Strand legen, hatten den Stein des Alnilam wieder in den Lederbeutel eingeschnürt und wollten sich selbst verstreut über den Strand legen, damit Palluck sie finden und nach seinem Spaziergang mit zu Myrddin nehmen würde. Ihre Graumäntel hatten sie Myrddin überlassen, der sie unter sein Hemd gesteckt hatte, damit sie kein sinnloses Aufsehen erregten.
In der Bucht gefror der dichte Nebel und legte sich bastig über die Steine. Es war eine verzauberte Landschaft, die trotz ihrer harten Einsamkeit eine vertraute Heimlichkeit barg. Die Shetlands glichen unter dem eisigen Wintereinfluß dem Land der Sagas – sie waren ein Abbild Islands, hatten die Farben eines sommerlichen Grönlands, und dunstiger Bausch verschloß den Horizont.
Myrddin spürte den Tag – er fühlte ihn über die schweren Nebel wachsen, wenn auch die Sonne sich nicht zeigen wollte. Er spürte den Gang der Gestirne, empfand die Tage als solche, die für ihn nichts bedeuteten. Doch er wußte, wo die Sonne aufgehen und wie hoch sie steigen würde. Myrddin wußte auch, wann sie wieder untergehen würde. Er besaß das Gespür der Zugvögel und es war für ihn wie sein Herzschlag, als blickte das Licht durch seine Haut in seine Adern – und den Gang der Sterne hatte er im tiefen Gedächtnis seines Alters. Das Kent und Virgo, die beiden Vanyar, die mit Hörn, Akita und Pacis reisten, war eine Beruhigung für ihn. Und daß er eine harmonische Begleitung gefunden hatte, würde auch ihm die Zeit vertreiben. Seinen Stab, den er schon verloren glaubte, hatte er wieder, und was hätte ihm diesen möglichen Verlust ausgleichen können?
Und die Menschen – sie schienen ihm freundlich und umgänglich zu sein. Es waren alte Leute, die sich in die Einsamkeit zurückgezogen hatten, glaubte er. Die Zeit, in die er geraten war, schien das Alter nicht mehr ertragen zu wollen. Und dennoch schienen sie irgendwie leben zu können, sogar ohne eine Familie, die die Alten hätte erhalten müssen. Alten Menschen wäre das früher sehr schwergefallen. Offenbar hatten sich die Zeiten in dieser Hinsicht zum Besseren verändert, da man sie leben ließ und irgendwie zu unterstützen schien. Er war nicht sicher, ob seine Gastgeber die richtigen seien, die ihm die Gegenwart der Welt hätten näherbringen können, da sie vor der Zeit geflohen schienen, vielleicht sogar aus ihr verdrängt worden waren. Und die beiden Alten waren vielleicht gar kein Ehepaar, sondern nur eine nutznießende Lebensgemeinschaft von Mann und Frau, eine Zweckgemeinschaft, wie sie die Lebensumstände und das Alleinsein oft schmiedeten.
Je einsamer sich Menschen fühlten, desto anfälliger und wehmütiger waren sie, dachte Myrddin und bedachte seine eigene Anfälligkeit und Sehnsucht, die er wahrhaft auch in sich bemerkt hatte, die aber keine Oberhand in ihm gewinnen sollte. Doch das Gefühl kannte er zu gut. Tralee schien ihm eine scharfsinnige Dame zu sein, der er mit vorsichtiger Distanz begegnen wollte. Weshalb sie den alten Jeremiah Palluck aufsuchte, wäre es denn eine freie Lebensgemeinschaft, konnte er sich nicht erklären, denn Reizvolles war in der schäbigen Baracke für ihn
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