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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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früher begegnet? Oder bist du es? Ich spüre eine Verwandtschaft zu dir, eine Vertrautheit, die mich dir gegenüber mißtrauisch macht. Wenn ich wüßte, daß du dich nicht nur einschleichen wolltest … wenn ich wüßte, daß du es ehrlich meinst und uns nicht nur ausnutzen willst … Aber mein Gefühl sagt mir etwas anderes, Mister Myrddin. Du bringst Unruhe in unsere Welt, und ich bin zu alt für diese Rebellion. Ich bin auch des Betruges müde und werde herausfinden, wer und was du bist. Oder sollten wir einen gemeinsamen Weg haben? Weshalb nur bist du hier? Ich werde schon dahinterkommen …“
    Tralee war mit sich in ihren Gedanken allein, spielte mit ihrer feingliederigen Hand in dem stummen Fell und lächelte. Dann schaute sie zu Myrddin, der im Bett lag und offenbar tief schlief.
    „Warum sind wir uns nicht früher begegnet, Mister William Myrddin? Das, was schnell gefällt, will gefallen , heißt es, und ich glaube, du machst uns etwas vor, wobei ich dir jedoch nicht unterstellen möchte, daß du uns Schlechtes willst. Aber du wirst Aufregung und Unfrieden bringen, weil du nicht ehrlich bist, glaube ich …“
    An dem Fenster, das zur Seeseite lag, waren über Nacht Eisblumen erblüht, die in dem dämmerigen Grau helleren Lichtes glitzernd schimmerten. Tralee sah Myrddin in das feine Gesicht, strich behutsam über seine eingefallenen Wangen, stand auf und ging zu Palluck, rüttelte ihn herzlich und rief, während sie in eine Kanne Kaffeepulver löffelte und das heiße Wasser darübergoß, mit lauter Stimme: „Old Jerry, der Kaffee ist fertig! Jerry … komm schon … Was soll unser Gast von dir denken?“
    Da riß Palluck plötzlich seinen Kopf hoch, sah mit abwesenden Augen zu Myrddin, bewegte sich wortlos, fast schlafwandelnd zum Wasserkübel, nahm eine Kelle, die an dem Kübel hing, schöpfte Wasser und ging mit dem kalten Naß vor die Hütte. Dort übergoß er sich den Kopf mit dem Wasser, was er für eine Morgenwäsche zu halten schien, fröstelte und kam wie verwandelt in die Hütte zurück. Er nahm sich ein Handtuch, das auf dem Boden neben dem Kübel lag, trocknete sich das Haar und war ein anderer Palluck. Sein Gesicht war von Alkohol gezeichnet, seine Augen geädert, seine Tränensäcke hingen wie ein zweites Paar kleinerer Wangen unter seinen schweren Lidern – und doch war er fröhlich erwacht.
    „O ja, Leslie … guten Morgen!“ sagte er, nahm sie herzlich in den Arm und meinte, daß er in der Nacht ganz steif geworden wäre, und daß er auf dem Tisch eingeschlafen sein mußte, gab er ebenfalls verlegen zu.
    „Ja, Jerry … wir sind heute Nacht beide auf dem Tisch eingeschlafen.“
    „Du auch …? Daß uns so etwas passiert …! Ist der Kaffee schon durchgezogen, Leslie?“
    „Du kannst ihn schon trinken. Er müßte sich gesetzt haben“, sagte sie, als Myrddin vorgab, gerade zu erwachen. Er reckte sich in seinem Bett, schmatzte bewußt und öffnete die Augen.
    „Dich hat sicherlich der Kaffeeduft geweckt“, sagte Tralee munter. „Guten Morgen, William. Möchtest du einen Becher haben?“
    „Guten Morgen, Leslie und Jerry …“, erwiderte Myrddin und überlegte, ob sie ihm nur einen Becher bringen wollte oder mit ihm das heiße Getränk, das sie Kaffee genannt hatten – lehnte es jedoch auf jeden Fall ab. Er kannte das Getränk nicht, und was er in dem Raum von dem Kaffee riechen konnte, duftete nach keiner Köstlichkeit für ihn, die er genießen wollte. Aber er bat um einen Becher klaren Wassers. Gleichzeitig erkundigte er sich, ob sie etwas Eßbares für ihn hätten, und Tralee bot ihm ein Sortiment von Bohnen, Rindfleisch und Fischkonserven an, die Myrddin jedoch keinen Appetit machen konnten. Er fragte nach Obst, Brot und Honig. Doch nichts davon hatte Palluck in seinen Schränken. So trank er das Wasser, das einen brackigen, abgestandenen Beigeschmack hatte.
    „Ich werde dir Brot und Honig mitbringen, vielleicht auch etwas Obst, wenn ich es finden sollte. Hier auf den Shetlands zu dieser Jahreszeit Obst zu bekommen ist wirklich schwierig, William. Aber sicherlich kann ich dir später eine kräftige Gemüsebrühe kochen, die du mögen wirst“, sagte sie und schaute auf ihre Armbanduhr „Gegen fünf Uhr werde ich wieder hier sein. Ich muß noch zu Dr. Chadwick und zur Bank … und dann werden wir weitersehen, einverstanden? Wie geht es deinen Beinen heute, William?“
    „O … sie tun mir nur etwas weh, aber es geht ihnen gut. Das Leben ist in sie zurückgekehrt.

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