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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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Erscheinungsbild eher unauffällig geworden, schaute man nicht in seine Augen. Seine Fellkleidung hatte er zusammengerollt.
    Ein stabiles Paar Lederschuhe wurde ihm von Brian mitgebracht, das sie von ihrem Onkel Rhys heimlich aussortiert hatte. Myrddin wunderte sich über die mangelhafte Qualität der Verarbeitung. Früher hatte man größeres handwerkliches Interesse und ein Schuhmacher hätte sich geschämt, solch ein Werk anzufertigen und auszuliefern. Damals waren die Materialen robuster und gleichzeitig feiner gewesen. Es wurde wohl insgesamt phantasievoller gearbeitet, meinte er. Doch bemängelte er die neue Kleidung nicht, während er den Unterschied bemerkte.
    Er hatte vieles verstehen gelernt, hatte das Chaos gesehen, das in die Welt gekommen schien und der natürlichen Unordnung nicht mehr entsprach. Je ordentlicher die Menschen etwas taten, desto größere Verwirrung stifteten sie. Und sie hatten eine zivilisierte Eigendynamik entwickelt, die gegen Entwicklung und Gleichgewicht ihrer Welt lief.
    Myrddin war von seiner Unterkühlung genesen und versuchte nun, die Motive wiederzufinden, die er verloren hatte. Er wollte der Verliebtheit in die Menschen wieder Herr werden und wußte dabei nicht einmal, wie er sich für ihre Freundschaft und Offenheit bedanken sollte. Er hatte verstanden, was Pallucks Verschlag in der Irene Bay zwischen Neap und Laxo bedeutete. Er hatte sie als Oase der Ehrlichkeit begriffen, der ausgezeichneten Menschlichkeit, als Nische in einer unwirklichen Zeit, in der es keine Zeit mehr geben sollte. Er hatte ihre Vorzüge verstehen gelernt und wußte, daß es hier einen Glauben an eine Meerjungfrau geben durfte. Menschen konnten sich ihrer Sorgen und Kümmernisse entledigen und durften sich bei Palluck unbehelligt ausruhen. Es war ein gelehriger, stiller Ort in einer Welt, die ihm erklärt worden war – die er aber nicht mehr erleben wollte. Pallucks Bucht war eine friedliche Insel, fast wie eine Schwarzdornhecke, die von der Weißen Göttin beschützt wurde. Sie war ein Bollwerk gegen jeden Vormarsch der Zivilisation, ein Ort wie ein buddhistisches Kloster fernab in den Höhenzügen des Himalaya.
    Insofern war es gut, das Myrddin von Palluck gefunden und aufgenommen worden war. Insofern war es aber auch schlecht, weil er ein traumhaftes Idyll kennengelernt hatte, das ihm, wankelmütig geworden, verlockende Bilder versprach. Er war nicht mehr derjenige, der Süßigkeiten verteilte, sondern zu einem Myrddin geworden, dem Bonbons zu schmecken begannen und der sich in einer Jeans und einem karierten Hemd zu wohl zu fühlen begann. Wäre Hörn bei ihm gewesen, wäre es nicht dazu gekommen – es hätte keine innere Zerrissenheit für ihn gegeben. Doch Entschlüsse goren in ihm.
    Mit seiner Zögerlichkeit würde er die Freundschaft und Liebe zu den Wölfen preisgeben. War er nicht ihr Sar Merodak? War er nicht Merlin? Hatten die Gwyllons ihn nicht aufgesucht? War er nicht über das Eis gelaufen, um nach Britannien zu kommen? War es nicht schon Januar, und mußte er sich nicht bald auf den Weg machen? Er hatte sich das Vertrauen der Menschen ohnehin nur geborgt. Er hatte sie betrogen, hatte es auf ihre Zuneigung angelegt, und jetzt, da er sie erhalten hatte, erhielt er die Kenntnisse von den Menschen und ihrer Begrifflichkeit, die er erhalten wollte. Es wäre ihm lieber gewesen, die Menschen wären wie Faith Bishop, da er keine Zweifel seiner rüden Verhaltensweisen ihr gegenüber gehabt hatte. Aber sie waren nicht wie Bishop – und er war für sie ein William, der sich mit Entschlüssen quälte, zurück in die Einsamkeit mußte – auf den Hart Fell und nach Pembrokshire. Und dann …?
    So dachte Myrddin und wußte nicht, was er tun sollte, da er Brian, Tralee und Palluck sein wahres Gesicht zeigen wollte. Er wollte ihnen seine Kraft und seine Energie offenbaren, damit sie ihr Vertrauen in ihre Welt und in ihre Oase behielten und Palluck ohne Scham auf Irene warten könnte. Und wüßten sie, wer er wäre, könnten sie ihm wahrscheinlich Hilfe geben, die ihm nützlich sein könnte. Und bald würde er kräftig genug sein, um schließlich fortzugehen.
    Was konnte er tun? Sie glaubten, er sei ein Puppenspieler, und er hatte ihnen eine Vorführung versprochen, die es bisher noch nicht gegeben hatte. Sollte er die Vanyar tanzen lassen, wie es die Menschen noch nicht gesehen hatten? Er könnte seine Kraft darlegen – wenngleich der Betrug bleiben würde – und er hätte ein besseres Gefühl. Nur

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