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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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gekämpft hatte. Die Schafzucht danach war eine Flucht gewesen, weil er nach dem Krieg nicht in der veränderten Menschengesellschaft leben wollte. Die Schafe waren eine Art Therapie. Und schließlich hatte er die Begegnung mit Irene, die ihm auf der Insel den Ruf eines verschrobenen Kauzes eingebracht hatte. Einzig wahr in seinem Leben waren seine Ehrlichkeit und seine Freundschaft gewesen. Beides hob er für die wenigen Menschen auf, die ihm geblieben waren. Und dazu gehörten nach dem Tod von Miles O’Curry nur noch das Mädchen Patty Brian, die Rentnerin Leslie Tralee und jetzt auch der Puppenspieler William Myrddin, der sein Leben verwandelt hatte, das ihm erst jetzt so erschien, wie es ihm vor Jahren schon hätte erscheinen sollen. Pallucks Gedanken waren deshalb nicht düster. Sie trugen die Klugheit eines Mannes, der seine Verwandlung spürte und der für das einstehen wollte, woran er glaubte.
    Tralee konnte Palluck in der Weise nicht wahrnehmen, da sie sich gedanklich mit Myrddin beschäftigte. Niemals zuvor hatte sie jemand innerlich so angesprochen und aufgewühlt. Sie hatte sich in ihrem Leben als arrogantes Mauerblümchen, eingebildete alte Jungfer, Lesbe und Gemeineres beschimpfen lassen, da sie ihre Liebeleien nicht in die Öffentlichkeit getragen hatte – und alles dafür, dass sie im dämmrigen Licht ihres Lebensalters den Mann treffen sollte, der ihr über alle Maßen hinaus zusagen konnte? Myrddin hatte ihnen seine Vorführung versprochen und heimlich sehnte sie sich danach, daß er Dinge von sich in seinem Puppenspiel preisgeben würde, zu denen er als Mann zu anständig gewesen wäre. Sie sehnte sich nach einem Zeichen von ihm, nach einer vagen Aussage, und sie würde auch als Vagabund an seiner Seite durch Europa ziehen, wenn sie nur mit ihm zusammen sein könnte. Es würde sicherlich kein leichtes Leben werden – aber wenigstens ein gutes, ehrliches und erfülltes Ende haben, im Herbst ihrer Weiblichkeit. Und so sehnte sie sich nach dem Abend, da Myrddin seine Puppen spielen lassen wollte und sie alle ganz unterschiedliche Dinge erfahren sollten.
    Am Abend der Aufführung bat Myrddin sie alle aus der Baracke heraus. Die vier Stühle Pallucks waren unter dem freien Himmel nebeneinandergestellt, und Myrddin brauchte für seine Aufführung offensichtlich einen größeren Platz, als ihm die Baracke hätte bieten können. Brian war mit ihrer kleinen Schwester gekommen, und Myrddin hatte sich seinen Schlupfanorak übergezogen. Er stand mit seinem Eschenstab schweigend vor dem Verschlag von Palluck. Sie hatte alle Platz genommen und warteten in der eisigen Dunkelheit, die Myrddin und den Vanyar nichts ausmachte.
    Vor Kälte zitternd rutschte Sheannad auf ihrem Stuhl hin und her, während Tralee und Palluck fasziniert auf die erhabene Erscheinung des Puppenspielers sahen, der mit seinem Eschenstab schweigend vor ihnen in der Finsternis stand.
    Patty Brian dachte zuerst, Myrddin würde mit seinen Puppen wie mit Marionetten in einem kastigen Theater spielen, was sie nicht begeistert hätte, was sie aber aus Zuneigung zu dem alten Mann an sich vorüberziehen lassen wollte. Doch sie sah sich getäuscht und wartete nun auch etwas gespannt auf das, was sich Myrddin für sie ausgedacht hatte, da sie weder eine Bühne noch seine Puppen sah.
    Es war finster und in Absprache mit den Elfen zog Myrddin seinen Kristall aus dem Lederbeutel. Wenn sein Publikum zuerst nichts erkennen konnte, sah es dann flackernde und zuckende Blitze in einem Stein, was selbst Brian die Sprache verschlug, obwohl sie durch die neuen Medien Tricks und technische Effekte gewohnt war.
    Myrddin machte es geheimnisvoll und Magie schien in ihm zu wachsen. Licht entstand. Weißblaues Licht wuchs um sie herum und sie sahen nur noch das Gesicht eines Zauberers, eines Puppenspielers, der seine Puppen vergessen hatte. Myrddin begann Midhirs Lied zu singen und plötzlich tauchten aus dem nebeligen Nichts seine Puppen auf, warfen ihre Mäntel auf den Boden, und ein Glockenspiel erfüllte die Luft – Musik, wie die Menschen sie noch nicht gehört hatten, voller Harmonie und Schwermut.
    Myrddin selbst verschwand im Nebel, als die Blicke der vier Zuschauer auf den Elfen weilten.
    Er sang von den Unsterblichenlanden, von der Anderswelt, und die Vanyar ließen ihre lieblichen Stimmen erklingen. Er erzählte von den Fuchsien, den purpurnen Kämmen jeden Moores, von Bächen … weichen, wohlreichenden Wassern … von den Leuten einer makellosen

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