Myrddin
aus.
Die Antriebswelle mußte endgültig gebrochen sein und ohne eigene Kraft war die bullige SOUNDLOVE auf dem Meer verloren. Noch schob sie ihre Nase neugierig durch den Seegang, doch der Widerstand wurde schon weniger … und Myrddin entdeckte den dunklen Streifen am Horizont.
„Da! Seht nur! Die schottische Küste! Wir haben es geschafft!“ rief er vor Freude und Tränen standen in seinen Augen. Brian war nicht sicher, ob es ein satanischer Glanz seiner Besessenheit war, der in seinen Augen widerschimmerte.
„Wir haben Maschinenschaden, William. Da gibt es kein Land und keine Küste für uns mehr“, meinte sie resigniert, ergeben in ein Schicksal, das für sie schlecht auszuteilen schien.
„Du alter närrischer Mann bringst uns allen den Tod. Was haben wir dir getan, daß du uns umbringen willst?“ fragte Tralee nüchtern.
„Seht doch richtig hin. Es ist Schottland. Es ist wirklich die Küste, Leslie und Patty …! Wir sind an unserem Ziel“, freute sich Myrddin und hätte vor innerer Erregung zerspringen können.
„Ha … am Ziel? Wir sind am Scheißende! Du hast ja keine Ahnung. Die See packt und ersäuft uns, bevor du noch Scheißende sagen kannst …!“ schrie Brian, um Myrddin zur Besinnung zu bringen.
„Rede nicht so was. Wir haben ein aufblasbares Kunststoffboot, und das werden wir nehmen, damit wir an die Küste kommen“, sagte Myrddin, der sich über den desolaten Zustand von Brian und Tralee zunehmend ärgerte.
„William, du bist wirklich ein rücksichtsloses Schwein. Das habe ich dir schon einmal gesagt. Das Boot gehört dir nicht – und du hast es zu Schrott gefahren. Du glaubst, man müsse dir zu Füßen liegen und du könntest tun und lassen, was du willst“, rief Tralee in Panik.
„Ich werde nach Schottland kommen. Und dieses Schiff ist mir wirklich gleichgültig. Jeremiah hat mir gesagt, daß ich auf euch achten soll – und das habe ich getan. Nicht mehr und nicht weniger“, erwiderte Myrddin scharf und wollte Tralee nicht erklären, was er glaubte.
„Scheiße, scheiße und noch mal scheiße! Du willst doch nicht etwas in dieser See mit ’nem Schlauchboot an die Küste paddeln? Das ist einfach irre! Und was meinst du, wer die ganze Scheiße hier bezahlt? Keine Versicherung kommt für diesen Dreck auf … Das ist alles eine verquirlte Kacke …“, schrie Brian mit der Logik ihres Onkels. „Was du auch anfaßt, du versaust es – und du bist nur ein scheinheiliger uncooler Arsch …“
Myrddin schien von den Reden unbeeindruckt zu sein. Er wußte, was er tat, und löste den Strick, mit dem er sich festgebunden hatte. Dann ging er das aufblasbare Boot holen, von dem Brian bei ihrer ersten gemeinsamen Inspektion erzählt hatte. Er fand es in einem Stauraum auf der verqualmten Brücke. Es hatte einen selbsttätigen Mechanismus und wurde in einer Art Seesack aufbewahrt, den er auf das Deck schleifte. Er las die Gebrauchsanweisung nicht und wollte die schwimmfähige Insel aus dem Sack zerren, als sich die Sicherung der Gasflasche löste, die das Boot selbständig aufblies. Myrddin war überrascht, nahm es aber als eine der vielen technischen Finessen der Menschheit. Und auf dem Deck lag ein prall aufgeblasenes schwarzes Schlauchboot, das Platz für sie alle gehabt hätte. Der Seher hatte nur noch ein Ziel vor Augen: die Küste von Northumberland, die er seit einem Jahrtausend nicht mehr gesehen hatte. Er wollte in seine einstige Heimat, in seinen Wald und endlich wieder zu Hörn. Die Menschen waren gut. Aber in ihrem Gutsein waren sie ihm oft lästig. Sie wollten ihn in eine Pflicht nehmen und verlangten von ihm Rechenschaft für sein Tun. Sie forderten und hatten Erwartungshaltungen – und dabei hatte sie die Wirklichkeit aus den Augen verloren. Die Wirklichkeit war, daß sie sich auf einem beschädigten Trawler auf der Nordsee befanden, sehr bald die Finsternis hereinbrechen würde, daß es stürmisch war und graupelte und sie sich unverzüglich von der SOUNDLOVE trennen sollten, da es doch nur ein Schiff war. Es war nur ein Gegenstand, ein zweckbestimmtes Objekt, das seinen Dienst getan hatte. Oder waren den Menschen ihre Gegenstände zu Abbildern ihrer Identität geworden?
„Mister William Myrddin! Du bist ein verkommenes Stück Dreck, wenn du uns hier alleinläßt. Das kannst du nicht mit uns machen …“, schrie Tralee.
„Ich kann noch ganz andere Dinge tun, Leslie. Aber ich denke nicht daran, euch alleinzulassen. Nur habe ich auch meine Ziele. Und mein Ziel
Weitere Kostenlose Bücher