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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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die in dein Programm mit einbringen? Vielleicht täusche ich mich und vielleicht ist ein Puppenspieler doch gar nicht so übel. Weißt du, wir brauchen irgendeine Nummer, die die Menschen herzieht. Die Lowells sind nur noch halbherzig bei der Sache, da sie einiges mehr aus sich herausholen könnten …“
    „Ja, Ganymed, mit den Puppen könnte ich dir ein paar Geschichten erzählen.“
    „Nicht Geschichten …! Das finden die Leute heute langweilig. Kannst du nicht irgend etwas Lustiges bringen? Das Publikum will lachen. Es braucht jemanden, den es auslachen kann. Es will verspotten und Schadenfreude haben können. So unangenehm es heute auch für Jacky gewesen sein mag, als sie hinfiel und sich das Kostüm zerriß: das jedenfalls bringt die Leute zum Toben … Das bringt Publikum, weil wir keine anderen Attraktionen zu bieten haben. Sie wollen über die eigenen Fehler und Schwächen bei anderen lachen können, William. Mit dem Finger wollen sie auf uns zeigen und Der Trottel. Der Dummkopf. Schaut euch nur diesen Idioten an … Nein, war für ein Tollpatsch … schreien können. Das bringt die Leute her. Hast du nicht irgendeine Idee? Sowas muß man doch mit deinen Puppen machen können, oder?“
    „Ich bin mir nicht sicher, Ganymed“, sagte Myrddin überlegend, der sich unter der Zeltkuppel wohl fühlte. Es war ein schöner, hoher und gefälliger Raum. Unter dem offenen Himmel ging es ihm besser – aber das Zelt und das Leben der Menschen, die dieses Zelt errichtet hatten, waren etwas Besonderes.
    „Ich werde mir auch Gedanken machen. Aber laß uns jetzt schlafen gehen …“
    „Ganymed, ich werde mir die Puppen aus dem Wagen holen und dann noch etwas spazierengehen. Vielleicht fällt mir etwas ein, wenn ich sie bei mir habe.“
    „Schön, tu das. Ich werde sowieso noch etwas lesen.“
    Sie gingen gemeinsam zum Wohnwagen. Myrddin holte die Vanyar, nahm Akita, Pacis und Hörn an den Stricken und ging mit ihnen in die sternenklare Nacht.
    Die Spielwiese lag am Stadtrand, und der Mond leuchtete sein angenehmes, vergebliches Licht über Blackburn, da die Lichter und das Leuchten der Stadt schärfer waren und des Nachts nicht ausgeschaltet wurden. Die Menschen gaben sich selbst das Licht, das sie sehen und haben wollten und das sie blind für den Mond machte, wie Myrddin und die Tiere meinten. Die Lichter der Straßen ließen sie nur die Straßen und Häuserfassaden erkennen, meine Myrddin zu Hörn, und das sei offenbar alles, was sie noch sehen wollten: ihre selbstgeschaffene Kulisse.
    Hörn lief neben ihm und die Wölfe sprangen fröhlich in die Nacht, blieben aber in seiner Nähe. Die Spielwiese grenzte einerseits an eine Minigolfanlage und wurde ansonsten von Häusern umstellt, in denen noch Lichter brannten. Obwohl die Häuser in einem großen Abstand zu dem Zeltplatz lagen, fühlte sich Myrddin in die Höhle des Menschen geraten. Und er fühlte sich eingeschlossen, als er zum Mond aufsah. Er sah Saturn, sah Orion und Taurus und den Großen Wagen. Mintaka, Alnilam und Alnitak leuchteten noch, und Myrddin dachte, daß sie noch leuchten sollten. Und selbst wenn sie erlöschen würden, würde es niemand bemerken. Sein Weg aus der Welt war gewiß und Hörn sollte ihn begleiten. Alle seine Wegen waren gewiß gewesen, und so auch dieser.
    „Merlin, wie lange noch?“ fragte Hörn.
    „Bis Alnilam erlischt. Dann gehen wir und dann werden wir uns vollendet haben, Hörn. Wir werden in die Gestirne wandern dürfen, durch sie hindurch in das Polarlicht tauchen und an den Ufern des Guivienen neu erwachen. Wir haben unsere Ewigkeit in der Welt bezwungen und sie wird uns in den Raum aller Gleichheit entlassen“, sagte Myrddin versonnen und schaute zu den Sternen empor. Hörn folgte seinem Blick in das wundersamste Zelt aller Zelte.
    „Es ist schwer zu verstehen, Merlin, aber ich vertraue dir. Es wird sich ganz allein vollenden. Und ich bin geringer als du.“
    „Auch ich werde unbekannt gehen, und glaube mir: die letzten Wochen brachen vollkommen unerwartet über mich herein. Das Gefühl, Zeit zu verlieren oder sie nicht zu nutzen, da ich im Begriff bin, sie zu verlieren, ist sehr eigenartig. Und doch macht es mich glücklich. Es ruft den Menschen in mir … meine Endlichkeit. Es zeigt mir den Menschen, der seine Hände aus der frostigen Erde ziehen darf. Stelle dir nur vor, Hörn, daß wir uns aller Wasser entheben werden und die Seerosen ihre Mythen für uns verlieren.“
    „Wie wird es sein?“ fragte Hörn.

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