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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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seien, und Raimann winkte gegenüber dem Clown nur ab, da er die Schikanen des Master Shenann gegen sich kannte. Trotzdem stand er vom Tisch auf, ging raus und spannte zum Schein die Seile nach.
    Ganapathy wollte auch an diesem Tag nicht auftreten, spielte mit zwei Glaskugeln und hielt sich für die Abschlußvorstellung am darauffolgenden Tag bereit. Die Lowells trainierten Körperakrobatik, hatten sich ein tiefes Hilfstrapez gebaut, an dem sie schaukelten und Wurfübungen vollzogen, und Eaves balancierte nach dem Frühstück wieder auf ihrem Bodenseil. Das Kostüm, das ihr zerrissen war, hatte sie notdürftig genäht. Aus der Nähe war eine wulstige Naht zu erkennen, die aus der Ferne betrachtet im Faltenwurf ihres Kleides verschwand. Sie sagte, daß man sparen müsse, wo es nur geht.
    Da es ein Wochenende war, kamen vormittags schon die Kinder, die den Zirkus entweder als Vorwand für ein Treffen in eigenen Angelegenheiten nahmen oder die die Artistin sehen wollten, deren blitzende, weiße Pobacken dem jungen Publikum des Vortages ekstatische Verzückungen bereitet hatten. Geld jedoch ließen sie nicht bei den Veranstaltern. Myrddin lief mit seinen Wölfen Raimann hinterher, weihte ihn in die eigentlichen Geheimnisse der Sprachphonetik ein, und Raimann bedankte sich dadurch, daß er Myrddin Arbeiten abnahm.
    „Nicht William heute viel machen. Mladinska werden“, war der Tenor seiner Erklärungen.
    Myrddin hatte sich frecher Knaben zu erwehren, die den Wölfen zu nahe kommen wollten und – zurückgewiesen – mit Zwillen auf sie zu schießen gedachten, was er dadurch unterbinden konnte, daß er die Gummibänder ihrer Zwillen reißen ließ.
    Die Vorstellung, die sie gaben, stand unter den Vorzeichen zirzensischen Verfalls, doch brachten sie ihnen auch an diesem Tag ausreichend Einnahmen. Zu ihren drei Vorstellungen kamen insgesamt über zweihundert Gäste, so daß Ganapathy am Abend zufrieden sein konnte. Ihn berückte nur die Lächerlichkeit, der sie sich preisgaben. Mangels ihrer künstlerischen Qualitäten hatten sie sich zu prostituieren, meinte er, und das verätzte sein ausgeprägtes ästhetisches Empfinden. Der Gedanke widerte ihn an, ob das Erscheinen der nackten Backen von Eaves nicht zum festen Bestandteil ihres Seiltanzes werden könnte, damit sie wenigstens dem voyeuristischen Trieb ihrer jungen Zuschauer Genüge leisten würde. Es war sehr wirksam gewesen und wäre sicherlich ein optischer Magnet, sagte er zu Myrddin und haßte sich für diesen Gedanken.
    Raimann hatte bis zu dem Abend den Unterschied zwischen Dativ und Akkusativ kennengelernt – und Shenann eine Landpomeranze namens Mary Wesley, die ihn des abends nach der Vorstellung als stattliche Persönlichkeit feierte und die er Madame nannte, bevor sie in seinem Wohnwagen verschwanden und sich als impotentes Arschloch und Drecksnutte am nächsten Morgen trennten, als er sie aus seinen Gemächern warf.
    Doch die Einnahmen stimmten und das war entscheidend.
    Myrddin hatte sich über Nacht seine Tiere und die Vanyar genommen und etwas abseits von dem Tag gelöst – in Erwartung des Kommenden. Jeder Tag brachte ihn Stonehenge näher und ließ ihn unbehelligt als William Myrddin, der die Papiere von her Rhine besaß, durch die Menschenwelt schleichen. Wie ein schwarzer, alles vernichtender Himmelskörper sich auf die Welt zuwälzte, konnte er auch von den Teleskopen der Menschen nicht gesehen werden.
    Der letzte Tag in Blackburn war der Tag des berühmten Ganymed, der in der Spätvorstellung auftreten sollte. Ganapathy hatte sich tagsüber in seinem Wohnwagen zurückgezogen. Man hörte ihn Saxophon und Blockflöte spielen. Eine halbe Stunde vor seinem Auftritt kam er dann aus dem Wagen. Er schnappte nach Luft, hatte seine Maske aufgelegt, ein typisches Clowngesicht, mit strahlenden und doch weinenden Augen, und sein Kostüm angezogen. Es bestand aus einem weiten, schwarzweiß gestreiften Jackett, einer weißen Pumphose mit großen, roten Punkten und einer Melone auf seinem Kopf, die eine rosafarbene Perücke bedeckte. Er hatte seine weißen Handschuhe übergestreift, und es ging ihm nicht gut.
    Myrddin sah ihn aus seinem Wagen steigen, sich an der Wohnwagenwand stützen und nach Luft ringen. Mit den Wölfen ging er zu ihm und fragte, ob er Hilfe brauche.
    „Meine Pumpe … weißt du … ich bin sehr aufgeregt. Aber es geht schon wieder. Ich steigere mich immer zu sehr … in meine Vorbereitungen. Hole mir doch bitte mein Saxophon,

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