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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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erträumt hattest, hatte sich verselbständigt. Das Publikum durfte erleben, wie man mit der Gleichzeitigkeit spielen kann“, und Myrddin brach ab, als jemand in das Zelt kam und sich nach dem Clown Ganymed erkundigte.
    Es war ein kleiner, aufgedunsener Reporter, mit einem Photoapparat um den Hals und einer Schultertasche, und erneut fragte er nach dem Clown, da er die beiden Leute in der Manege für Arbeiter hielt.
    Ganapathy schaute Myrddin vorwurfsvoll an und sagte dann, daß er der Clown sei. Der Mann stellte sich als Reporter vor, nannten seinen Namen und wollte von dem großen Ganymed und seinem Zirkus eine Reportage veröffentlichen.
    Und während sich Ganapathy mit dem Mann unterhielt, verschwand Myrddin mit seinen Wölfen, fütterte die Tiere, ließ die Ponys aus dem Wagen auf die Spielwiese, ging an den kreischenden, wippenden Schimpansen vorbei und sah Raimann auf den Platz kommen, sich gähnend strecken und mit dem schuldbewußten Gewissen eines Langschläfers auf ihn zulaufen.
    „William, halt, ich machen. Du nicht schlafen“, meinte er verlegen.
    „Wir müssen noch einmal das Konjugieren der Verben wiederholen und obendrein die Regeln britischer Höflichkeit, Mister Mladinska Raimann. Guten Morgen. Haben wir heute nicht einen schönen Tag?“ lachte Myrddin.
    „Ja, William … schönen Tag und schönen Morgen“, sagte Raimann und streckte ihm lächelnd die Hand entgegen. Er hatte eine angenehm kräftige, weiche Hand, die man gerne drückte, und er machte sich augenblicklich an seine Arbeit, die er am Vorabend liegengelassen hatte, da sie ihren Clown gefeiert hatten. Sie wollten am Morgen in aller Ruhe das Zelt abbauen, die Nachwehen des Auftrittes von Ganapathy in der Presse abwarten und dann nach Huddersfield aufbrechen.

XXXIV
    Bewußt hielt sich Myrddin von Ganapathy fern, tat sehr geschäftig und kümmerte sich auffallend um Raimann, der enorme Fortschritte in seinen Sprachkenntnissen gemacht hatte. Sie verhalfen ihm sogar dazu, Anerkennung von den Lowells zu erhalten, die feststellen mußten, das Raimann kein schwachsinniger Mechaniker war, nur weil er eine andere Sprache nicht beherrschte. Sie hätten sich mit ihm unterhalten können, doch er war ein anderer geworden. Aus dem geistig minderbemittelten Alex wurde früher oder später der Schwan Alexander. Und das zu akzeptieren, war nicht leicht. Sie hatten sich ihres früheren Verhaltens gegenüber Raimann zu schämen, was sicherlich auch nicht leicht war. Irrtümer einzugestehen war den Menschen nicht angenehm.
    Raimann machte es niemandem zum Vorwurf, wie man ihn behandelt hatte, sondern er blieb der alte, gutmütige Mechaniker, der er gewesen war. Es machte ihm Freude, daß man ihn zunehmend respektierte und mit freundlichen, wohlwollenden Blicken ansah, die man vorher nicht für ihn übrig gehabt hatte.
    Die Presse des Tages nach dem großen Auftritt des Ganymed hatte tatsächlich einen Bericht über den Shenann Wanderzirkus verfaßt. Er erschien im Regionalteil des BOLTON DAILY und lobte erstaunliche künstlerische Fertigkeit des Großen Ganymed, der einzigartige Fähigkeiten in seinem Programm dargeboten haben sollte. Man bescheinigte ihm die hohe Qualität seiner Arbeit und würde sich entsprechende Vorstellungen an der Manchester Bühnen wünschen, deren professionelle Schauspieler ohne die mindeste Begabung ein monotones Einerlei herunterzitierten, hätte man im Vergleich dazu den Clown Ganymed erleben dürfen. Man bedauerte die kurze Verweildauer des Zirkus, doch verwies auf den Tourneeplan, worum Ganapathy jeden Reporter ausdrücklich gebeten hätte, der demgemäß eine lohnenswerte Vorstellung in Huddersfield vorsehen sollte.
    Der Jubel in dem Ensemble war groß, als sie den Bericht über den Zirkus mit einem Foto von Ganapathy in der Zeitung lasen. Es stand kein Wort über Shenann und keine Silbe über den Tierschänder Kippenhahn in dem Bericht und das war für Eaves Anlaß genug, ein zweites Mal zu jubeln. Die Lowells waren enttäuscht, daß man nicht wenigstens sie erwähnt hatte, doch sie konnten damit leben und brachen nach Huddersfield auf, in dem sie sich einen Publikumszuwachs erhofften. Sie träumten von besseren Geräten, die sie sich vielleicht irgendwann kaufen könnten, von einer schöneren Garderobe, von Parfums und glitzernden Kostümen, und einer unter ihnen träumte von Stonehenge, und ein anderer rätselte, wie er zu dieser positiven Kritik gekommen sei.
    Am zweiten Tag nach ihrer Sonntagsvorstellung waren sie

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