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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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werden mußten. Schmutz unter ihren Fingernägeln wurde mit Nagellack kaschiert, und der alte Tiger Shila war plötzlich ein zu altes Raubtier.
    Nichts, mit dem sie gelebt hatten, war noch gut genug, und das verdankten sie ihrem berühmten Clown Ganymed. Bedachten sie ihre Hosen, so waren sie plötzlich doch einen halben Zentimeter zu kurz, und ein irischer Frühling war jetzt mit seinem Duft als Duschgel doch ein wenig zu ordinär. Es mußten die No. 5 und der Egoiste sein, nach dem man weltmännisch duften wollte.
    Die einzigen, die von dieser Euphorie nicht ergriffen wurden, waren der Mechaniker Raimann, sein Chef Ganapathy – dessen Stimmung sich verfinsterte – und der Hilfsarbeiter Myrddin. Raimann war, falls es einen wahren Künstler im Shenann Wanderzirkus gegeben hatte, der bemerkenswerteste, da er das Sprechen einer Sprache gelernt hatte, die nicht seine Muttersprache war. Binnen kurzer Zeit hatte er die Kenntnisse in sich aufgenommen, die ihm einen fast fehlerfreien walisischen Akzent gaben. Und wenn es jemanden gab, der sich darüber freute, so war er selbst es – und natürlich sein Lehrmeister Myrddin.
    Ganapathys innere Situation verschlechterte sich in einem Maße, in dem sich die frohe Laune der anderen hob. Was sie an Ruhm haben wollten, bekamen sie durch ihren Clown, der ihnen den Stoff ihrer Träume verwirklichen sollte. Doch Ganapathy wuchs das ganze Unternehmen über den Kopf, es entglitt seinen Händen und seiner Führung, da er den Erfolg nicht selbst erarbeitet hatte. Und Myrddin sagte, daß er sie verlassen werde. Die finanziellen Verpflichtungen, die sie durch ein größeres Zelt in Bristol haben würden, lasteten auf ihm. Er stand unter einem Erfolgszwang, den er nicht verursacht hatte und den er nicht länger steuern konnte. Sollte er die positiven Umstände einfach ausnutzen und so lange auf den Wellen reiten, bis sie an einem weichen Strand verebbten? Doch die wenigsten Ufer hatten schöne, weiße Strände, wußte Ganapathy. So konnte er sich ausrechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, an einem dieser Strände gespült zu werden. Wahrscheinlicher war es, nach solch einem Ritt Bekanntschaft mit den scharfen, rauhen Felsen einer Klippenküste zu machen. So war es mit dem Ruhm und der Anerkennung durch die Menschen, die eine so schnell vergessen und verhungern ließen, wie sie Götzen und ihre Halbgötter schufen. Das Publikum machte und stürzte ihre Könige nur aus Eigennutz. Und gab es nicht die vielen warnenden Fabeln, Märchen und Geschichten, die genau den Ruin desjenigen schilderten, der sich verstiegen hatte? War es wirklich nur eine Frage der Moral, überlegte Ganapathy.
    Trotzdem störte ihn Eaves, die neuerdings immerfort fragte, ob nun ein bräunlicher Lidschatten besser zu ihrem Kleid passen würde, wenn sie altrosa Leggins trüge, oder ob sie dann ihre Haarfarbe ändern müsse. Foundation und Puder waren der Inhalt ihrer künstlerischen Kreativität, und er – er wollte sich nur für das Auskommen seiner Tiere einsetzen.
    Falls man sich von den alten Freunden trennen würde, verlöre man den Boden unter den Füßen, wußte der alte Clown. Und ihre alten Freunde waren ein zweimastiges Zelt, ihre muffige Garderobe, ihre spröde, trockene, rissige Schminke, die sie mit Paraffin ölig halten mußten und die dennoch meist schon während der Vorstellung von der Haut bröckelte. Ihre Freunde waren die unzähligen Handgriffe, die sie zur Pflege ihrer Ausstattung und ihrer Requisiten brauchten. Freunde waren die Hoffnung und gutes Wetter und der Ärger über jeden Patzer in einer Vorstellung. Ein Freund war die Schuhpaste, mit der sie ihre Schuhe pflegten, und ein anderer der geflickte Wasserschlauch. Abgesehen von diesen bewährten Freunden war für Ganapathy alles andere nicht mehr überschaubar und er hatte Angst, in eine Wirklichkeit zurückfallen zu müssen, die nicht mehr erträglich sein könnte, wäre man erst auf den täglichen Geschmack von Champagner gekommen. Kann man sich denn noch vorstellen, daß das Leben aus einfachem Wasser entspringt , fragte er sich. Und zudem war es von ihm abhängig, was geschehen sollte, da nicht er, sondern Myrddin der berühmte Ganymed war, den das allerdings nicht zu berühren schien. In diesen Tagen wurde Ganapathy älter als in den vergangenen Jahren, in denen er gewußt hatte, was er tat, und Grenzen überschritten hatte, die er zuvor erforschen konnte und die er nicht für sich durch einen anderen überschreiten ließ. So

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