Myrddin
des Jungen wuchs. Mark begann zu weinen. Myrddin sah, wie der Ballon wuchs und seinen Umfang vergrößerte. Er stand auf, stützte seine Hände in die Hüften, schaute noch einmal hin, um sich zu vergewissern, ob das, was er sah, wirklich einer der Ballons werden würde, und schüttelte dann nur seinen Kopf.
„Ich weiß nicht, was ich machen soll … Die Dinger kommen von ganz allein …“, weinte der Junge.
„Ach was … Dinger, die ich kenne, sind anders …“, sagte er zweideutig und das Publikum lachte. „Na, Dickerchen, die Dinger kommen nicht von allein … sie kommen aus deinem Kopf. Und du willst mir weismachen, du wüßtest es nicht? Tickt es bei dir nicht richtig …“, erboste sich Myrddin und das Bein des Jungen hing schon in der Luft. „Ich jedenfalls finde das ziemlich langweilig, weil wir nicht zusammen spielen können, wenn du blöd in der Gegend rumschwebst, Mark …“
„Was soll ich tun?“ schrie der Junge weinend, als er kopfüber einen halben Meter über der Erde schwebte, das Blut in sein Gesicht lief und Myrddin nicht daran dachte, ihn festzuhalten.
„Hättest du nicht vorher einmal besser zuhören sollen? Bleib mit dem Kopf auf der Erde, dann verlierst du den Boden unter deinen Füßen nicht. Denk mal drüber nach, mein kleiner Klops … Willst mit mir und meinen Kugeln nicht spielen …! Na gut. Dann spielt eben ein anderer mit mir …“ sagte Myrddin, ging zu den Wölfen, streichelte sie, und Mark schrie ängstlich.
„Du kannst jetzt nicht gehen, Ganymed …“
„Kann ich nicht? Willst du mich diesmal mit deinem Gewicht erschlagen? Ha … das wollen wir doch mal sehen“, lachte Myrddin und der Junge weinte mit einem puterroten Kopf. „Dickerchen, werde einfach klüger. Wenn dich meine Spiele nicht interessieren, sind mir deine Geschichten auch egal …“, sagte er und steckte sich zwei der Tonkugel, die nicht größer als eine Kirsche waren, wieder in seine Hosentasche. Er nahm seinen Eibenzweig und balancierte die Kugel auf der Spitze des Eibenzweiges aus. Sie schwankte zuerst, und er begann den Zweig langsam wie ein rotierendes Pendel zu bewegen. Die Kugel kreiste zuerst noch auf der Spitze des Zweiges, der sich unter ihrem Gewicht wie eine kleine Fichte im Wald bog. Und dann fiel sie von ihm herab – doch sie fiel nicht in die Späne. Sie flog wie ein Trabant um den Zweig herum.
„Ach … bevor du da oben zerplatzt, Mark: weißt du noch, wer Ganymed war?“
„Neee, Mann …! Hol mich runter …!“ brüllte Mark.
„Schade. Eigentlich sehr schade …! Doch merke es dir für die Zukunft: Ganymed ist der Jupitermond …“, lachte Myrddin und die Tonkugel kreiste immer schneller um den Eibenzweig.
Sie erwärmte sich an der Luft und es wurde finsterer in der Manege. Applaus, Raunen und Staunen mischten sich. Die Tonkugel drehte sich schon so schnell, daß sie erglühte und einen roten Schweif in die Dunkelheit zeichnete, da sie selbst nicht mehr zu erkennen war. Auf magische Weise wurde der Reif in seinem Durchmesser breiter, und das Publikum sah nichts anderes als einen wachsenden glühenden Ring, der in der Dunkelheit über der Manege schwebte, seinen Radius vergrößerte und sich wie der Rand einer schwebenden Untertasse erhöhte. Je breiter der Ring wurde, desto lauter wurde ein Sausen in dem Zelt, und das Platzen des Ballons, an dem der dicke Mark kopfüber hing, hörte schon niemand mehr. Das Zelt blähte sich auf, als wolle es tief einatmen, und die Menschen sahen ihre Platznachbarn nicht mehr – so hell oder so dunkel war es – und sie starren gebannt auf den sausenden Lichtring in der Luft, der die Bahn eines Elektrons um sein Atom sein konnte. Als er in einer Höhe von etwa drei Metern war und einen Durchmesser von etwa fünfzehn Metern besaß, zog sich der Ring plötzlich wieder zusammen, wurde kleiner, stiller, kreiste immer noch glühend und senkte sich dann wieder herab. Insgesamt wurde er schmaler und schien von der Mitte der Manege angezogen zu werden. Und plötzlich war der rotglühende Reif aus der Luft verschwunden.
Kein Atem war zu hören – nur das Herzklopfen der Menschen, die das gesehen hatten, pochte dumpf in der Stille – und Raimann hatte wieder Gewalt über seine Scheinwerfer.
Das Licht in dem Zirkuszelt ging an. Der Clown Ganymed war mit seinen Hunden verschwunden. Der dicke Mark saß mit verweinten Augen auf seinem Platz und in der Mitte der Manege lag eine kirschgroße Tonkugel, die wohl niemand sah.
Jemand begann zu
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