Myrddin
Kampfgeschrei auf.
Merlin hörte das Brüllen über den Schnee rollen, spürte das Beben im Eis, doch konnte nicht schnell reagieren, wie es der Eisbär vorausgesehen hatte.
In panischer Angst, als wären die Geister ausgestorbener Jagdgründe über sie hereingebrochen, schreckten die Wölfe auf. Und einzig etwas ruhiger – obwohl auch zitternd – blieb Hörn. Knurrend und zähnefletschend stellten sich die Wölfe einem Gegner, den sie nicht witterten, dessen Gewicht sie im Eis nur dröhnen hörten.
Für Carus war es zu spät. Der Zorn aller Wildheit stürzte über ihn und er spürte nur noch einen rasenden Schmerz in seiner linken Flanke …, spürte, wie er vom Eis gehoben wurde, einen Augenblick durch die Luft flog und hart auf das Eis aufschlug. Dann entschwanden ihm die Sinne und er blieb in einer roten Lache liegen.
Merlin sah einen riesenhaften weißen Bären, der in tolle Raserei von Blutrausch geraten war und in unmittelbarer Nähe zum Lager auf die Wölfe und Hörn zuraste, als wäre er die geballte Faust der rohesten Urgewalten, die entbundenen Energien eines fürchterlichen Kugelblitzes. Er sah den armen Carus durch die Luft gewirbelt und hörte ihn wehrlos dumpf aufschlagen, als wäre aus seinem toten Körper bereits der lebendige Geist gewichen.
Daraufhin raste plötzlich ein gebieterischer Sturm gegen den Eisbären – zwingender als alles, was dem Bären jemals in seinem Leben begegnet war. Es war Merlins gewaltiger Schlachtenruf, den er gegen das Tier richtete.
Dem Bären dröhnte es in den Ohren. Er verlor sein Gleichgewicht, rutschte aus und überschlug sich zweimal auf dem Eis. Was nur mochte das gewesen sein, waren seine ersten Gedanken. Er richtete sich sofort wieder auf, sah die knurrenden, angsterfüllten Wölfe, den großen Hirsch und den kleinen Menschenmann, der nun auf ihn zukam.
Melchor rief zu Merlin, daß er sich von dem Eisbären fernhalten solle. Eisbären seien todbringend, und in letzter Verzweiflung rief er dem Zauberer, den er weitergehen sah, zu: „O Merlin, du brauchst einen größeren Zauber als …“
Merlin hörte ihn, doch er hatte seine Kraft gesammelt und schritt ruhig fort. Fast tänzelte er auf das Untier zu.
Der Bär stand wieder auf seinen vier Pranken, schüttelte den Alptraum ab und sah den Wicht näher kommen. Obwohl er keine Waffen hatte, traute sich dieser Mann einiges zu, dachte er, hielt jedoch lauernd wie ein wildes Ungetüm inne, bevor er zuschlagen und seinen letzten Streich führen wollte.
Der kleine Mann stellte sich vor ihn, beschmunzelte das ungeheuer mächtige Tier und sagte: „Hallo, Meister Petz … falls mich mein Alter nicht täuscht. Guten Abend …“
Seine Gefährten trauten ihren Ohren nicht und glaubten kaum, zu welcher lebensmüden Kühnheit sich Merlin hinreißen ließ, dem sie ihre Führung anvertraut hatten.
„O Merlin …! Verliere deinen Verstand nicht. Es ist ein Eisbär …! Er ist unbezwingbar für uns und …!“ rief Akita ihm zu und die Angst legte sich um ihr Herz.
„Dich kenne ich noch nicht“, sagte Merlin freundlich zu dem Bären. „Gehört habe ich von dir … doch begegnet sind wir uns wohl noch nicht. Ich übrigens bin Merlin. Vielleicht hast du von mir auch schon gehört.“
Der Bär grollte wütend und bewegte sich einen Schritt auf Merlin zu, der jedoch nicht zurückwich. Das konnte der Bär nicht verstehen. Weshalb hat dieser Zwerg keine Angst vor mir? überlegte er sich. Beunruhigt schwenkte er den Kopf und schaute sich um, doch er sah nichts, was Merlin hätte stärken können. Worauf nur vertraut der? fragte sich das Tier.
Wütend erhob sich der Eisbär auf seine Hintertatzen, imponierte in seiner gewaltigen Größe und brüllte tollwütig gegen den kaum halb so großen Merlin.
Doch der Mann rief unbeeindruckt zu dem Bären hinauf.
„He, Petz! Sei klug, alter Meister …! Fürs erste soll dir meine Stimme reichen. Hast du nicht schon genug für eine Nacht angerichtet? Oder soll ich dir eine Lektion in Benehmen erteilen, Freund …? Eine Lektion, die du nicht vergessen wirst und für die dich meine Freunde auf Lebzeiten verspotten werden …?“
„Wenn dir dein Leben lieb ist, kleiner Mann, dann gehe mir besser aus dem Weg!“ brüllte der Bär wütend, doch etwas verunsichert zu dem Menschen hinab.
„Pfui Teufel … Dein Magen liegt dir auf der Zunge, Meister, so häßlich riechst du aus deinem Maul … und so häßlich stinken wohl alle Fleischfresser …“, sagte Merlin, der den heißen
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