Myrddin
Atem des Bären auf seinem Gesicht spürte.
„Richtig …“, fauchte ihn der Eisbär an, sank dann geschmeidig wie eine Katze auf seine Pranken und näherte sich Merlin, in dem er wahrhaft nur einen tolldreisten Wicht erkennen mußte, den sein Mut nicht vor seinem Schicksal retten sollte.
„Höre mir gut zu, Meister. Brülle du, soviel du willst. Stinke, tobe und suche dir eine fette Beute. Aber du läßt uns in Ruhe wandern“, versuchte der Seher es abermals versöhnlich mit dem Bären.
„Siehst du nicht, daß ich eine prächtige Beute habe, Meister … Meister Wurm?! Den Hirsch hinter dir … und du wirst mich nicht daran hindern, ihn gleich nach dir in Teile zu zerreißen, wenn du mir jetzt nicht aus dem Weg gehst“, zischte der Riese verächtlich.
„Meine Güte, stinkst du aus dem Hals … Einen Hirsch meinst du? Einen Hirsch sehe ich nicht. Und falls du Hörn meinen solltest, dann lasse dir sagen: Hörn ist kein Hirsch.“
„Du willst mich verhöhnen …? In Fetzen werde ich …!“
„Hat man dir noch nie gesagt, daß du nur ein Erbsenhirn hast, mein Freund? Was hat man bei dir bloß versäumt? Aber deine Dummheit beleidigt mich und meine Freunde“, sagte Merlin trocken und das brachte den Bären vor Zorn in Rage.
„Dich … dich werde ich zermalmen … du mistige Kröte!“ brüllte er mit sich überschlagender Stimme. „Du brauchst wirklich mehr als einen mächtigen Zauber …“
„Einen mächtigen Zauber, Petz? Wenn du ihn willst, dann sollst du ihn erleben …“, antwortete Merlin und hob seine Arme beschwörend.
Der Bär verharrte, lauschte für den Bruchteil einer Sekunde in die Nacht, ob wahrhaft ein Zauber käme und dieses Männchen Macht über Dinge besaß, die ihm fremd waren. Merlin aber nutzte die Zeit und holte kurz und blitzschnell mit seinem harten Eschenstab aus, schlug mit dem Knauf gewaltig gegen den schmalen Schädel des Eisbären, in dem das Erbsenhirn, wie er es nannte, hart gegen die Knochenwände krachte.
Der Eisbär taumelte zuerst, verlor die Kraft in seinen Pranken, dann in seinen Beinen und brach schließlich unter seinem Gewicht zusammen.
„Ha … was für ein mächtiger Zauber, hmmm …!“ lachte Merlin den ohnmächtigen Bären aus, der nun niedergestreckt vor seinen Füßen lag. „Du solltest Manieren lernen, Nanok. Man jagt nicht wie die Menschen in der Nacht. Der erhabene Jäger gewährt dem Gejagten stets die Nachtruhe und tötet nicht wie gewöhnliche Mörder in der Dunkelheit. Mußte es soweit kommen …? Was für eine Zeit … was für Unsitten … du dummer, bäriger Fellfrech“, sagte Merlin angewidert und bedauernd. Dann rief er Melchor zu, daß man sich um Carus kümmern müsse. Samael und Pacis sollten ihn vorsichtig zum Boot zerren, und er wollte ihn – sofern er es verstand – verarzten.
Winselnd kam Akita zu Merlin gesprungen, knurrte zornig, als sie den Geruch des Eisbären in die Nase bekam und die elfenbeinfarbenen Reißzähne des Tieres in dem offenen Maul sah, und wedelte dann, als sie zu Merlin aufblickte. Der Seher streichelte sie, ging zu Hörn, strich ihm über seine Wange und witzelte: „Nanok hat in dir einen Hirsch gesehen … einen guten Braten gerochen. Wie ignorant und eingebildet manche Bären doch sind. Und kaum, daß man sie zum Tanz auffordert, machen sie schlapp und glitschen auf dem Parkett aus. Noch nicht einmal richtig streiten kann man mit ihnen, Hörn … Was haben wir doch alles versäumt.“
Der Hirsch nickte erleichtert, denn die Begegnung hätte auch anders ausgehen können. Doch Merlin schien sich seiner Kraft bewußt zu sein. Und das beruhigte ihn.
Auch Melchor kam dankbar winselnd zu Merlin herangerobbt. Untertänig und ihn anerkennend rollte er sich auf dem Eis und ließ sich seine Brust von Merlin streicheln, der sich jedoch alsbald abwendete, weil er sehen wollte, wie es Carus ging, den es offenbar schwer getroffen hatte. Und das war der eigentliche Schrecken in der Nacht.
Samael und Pacis hatten den schwerverwundeten und stark blutenden Carus über das Eis zu Merlins Boot geschleift. Carus war bei Bewußtsein, winselte manchmal, konnte sich aber nicht bewegen. Er hatte sehr viel Blut verloren. Als Merlin zu ihm kam, hob er den Kopf, wedelte einmal mit seinem Schwanz, ließ dann seinen Kopf wieder auf das Eis sinken und war vor Schmerzen wie betäubt. Merlin kniete sich neben ihm nieder, besah die klaffende Wunde und kraulte Carus hinter dem Ohr.
„Du bist mir einer …“, meinte er. Vorsichtig
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