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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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Geben wir ihm die Ruhe, die er braucht, und morgen, bevor es Tag wird, ziehen wir weiter“, sagte Merlin und sollte auf fürchterliche Weise seine unbeabsichtigte Ahnung bestätigt sehen.
    Er stand auf, ging zu dem Boot, rückte die Säcke zurecht und begab sich dann auf einen kleinen Spaziergang über das Eis, dem Mond entgegen, der im Schleier glitzernder Schneeluft verschwand. Etwas südlich der Gruppe setzte er sich auf das Eis, klopfte mit seinem Stab einige Male auf die Eisdecke, als wolle er die Tragfähigkeit prüfen, und saß dann ruhig wie ein Eskimo, der an einem offenen Wasserloch fischt. Merlin aber jagte nicht, sondern sah in die geliebten Sterne, ein Unheil ahnend, von dem er nicht sagen konnte, wie es aussehen würde.
    Melchor und Akita hatten sich aufgemacht, um Carus zu überreden, sich an ihr Lager zu begeben. Doch der junge Wolf sträubte sich und ließ sich durch kein Argument in seiner Haltung bewegen, so daß die beiden Wölfe ihn wieder allein ließen.
    Pacis, der wie so oft bei Hörn lag, sprach mit dem Hirsch und es drängten ihn Fragen nach den Ereignissen auf Nordkvaloy, da die Wölfe Feuer und Rauchfahnen gesehen und Detonationen gehört hatten, sich die Zusammenhänge aber nicht erklären konnten.
    Hörn vergewisserte sich, daß Merlin außer Hörweite saß, und begann dann die Geschichte zu erzählen, die sich auf der Insel abgespielt hatte. Angekommen hatte Merlin sein Buch geholt und zu weinen begonnen. Hörn sprach offen und ehrlich, wie er es immer tat und wie es die Wölfe an ihm schätzten.
    „… und er wollte sich von seinen armseligen Utensilien nicht trennen. Es war ihm noch nicht einmal bewußt, daß wir niemals wieder zurückkehren würden … jedenfalls nicht bis zu dem Augenblick, da ich den Pfosten seines Daches zertrat und Schnee und Stroh vor seinen Eingang brachen. Sein Buch preßte er fest an seinen Bauch und fand erst dann wieder zu sich. Ich hörte nur einen Schrei von ihm, und nach einem kurzen Augenblick kam er befreit lächelnd aus der Höhle. Zuerst konnte ich mir nicht vorstellen, was er getan hatte. Dann sah ich einen kleinen Sack in seiner Hand, den er auf seinem Rücken vor mir verbarg. Danach hörte ich es in der Höhle knistern. Merlin meinte, daß er auf diesen zusätzlichen Sack nicht verzichten könnte … und ich sah den Rauch aus dem Eingang steigen. Wir traten einige Schritte zurück und sahen zu, als schwarze Rußwolken wie Krähen aus der Höhle quollen, dann helle Flammen herausschlugen, die sich schon durch die ganze Höhle gefressen haben mußten. Sie erfaßten das Holz und auch das Stroh des zusammengebrochenen Daches, und erst dann kehrten wir uns von dem Feuer ab. Wir hörten einen lauten Knall, sahen den Rauch hoch aufsteigen und verabschiedeten uns von unserer kleinen Insel … verabschiedeten uns von Norwegen … von Skandinavien und … und irgendwie war es ein Abschied von der Welt. Merlin sagte: Wir haben die Anker gelichtet und die Brücken haben wir zerschlagen. Nun warten wir nur noch auf den guten Wind, der das Ziel erahnen läßt … Und schon machten wir uns wieder auf den Weg zu euch. So war, was geschehen ist.“
    „Und was kann er damit gemeint haben?“ fragte Akita.
    „Das vermag ich dir leider nicht zu sagen.“
    „Es hat ihn wohl größere Überwindung gekostet, als wir vermuteten“, meinte Samael, der Merlins Gedanken in der Vergangenheit oft gut hatte verstehen und nachvollziehen können.
    „Nein. Ich glaube, es hat ihm die Einsicht gefehlt … und er war erleichtert über die Erkenntnis, die ihm kam“, meinte Hörn. Die Wölfe nickten stumm, wie sie es immer taten, wenn man ihnen eine gute Geschichte erzählt hatte.
    Sie blickten zu Merlin und sahen ihn einsam, wie versteinert sitzen und sie dachten über die Art und das Wesen seiner Natur nach. Und da sie nichts Besseres tun konnten, als schweigend unter dem mächtigen Firmament zu liegen – in einer fast windstillen, klaren Nordnacht –, dösten sie vor sich hin, jaulten einige Male und legten ihre pelzigen Köpfe zwischen die Pfoten. Sie waren der Finsternis vertrauensvoll ergeben. Sie vertrauten der Weite und vertrauten auf Merlin, den Wachenden, der das Schreckliche kommen sah, aber die Wirklichkeit zu spät erkannte.
    Eine weiße Hünengestalt, ein erschreckender Riese, der Zar aller Eisbären, hatte sich in der Kälte des strengen Winters aus seinem Packeis getrollt, um murrend den Robben und Seelöwen nachzustellen, die sich sonst erheblich weiter im

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