Myron Bolitar 03 - Der Insider
wenigstens ein gutes Klischee.«
Daraufhin hatte Win sich umgedreht und war gegangen. Das war alles. Sie hatten nie wieder ein Wort über seine Beziehung zu Jessica verloren. Es war ein Fehler gewesen, es jetzt zur Sprache zu bringen. Myron hätte es besser wissen müssen.
Es gab Gründe dafür, dass Win so war. Myron sah seinen Freund an und hatte jetzt wirklich Mitleid mit ihm. Von Wins Standpunkt aus war sein Leben ein fast unendliches Lehrstück gewesen, in dem er vor allem gelernt hatte, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Das Ergebnis war nicht immer schön, aber meistens effektiv. Er hatte seine Gefühle nicht vollkommen abgetötet und war auch nicht so gefühlskalt, wie er die Leute manchmal glauben machen wollte, aber er hatte gelernt, anderen nicht zu vertrauen oder sich zu sehr von ihnen abhängig zu machen. Er hatte nicht viele Freunde, die wenigen jedoch pflegte er mit einer Intensität, wie sie nur wenigen Menschen zuteil wird. Der Rest der Welt bedeutete ihm nicht viel.
»Ich besorg dir einen Platz in der Nähe von Klopfer«, sagte Myron leise.
Win nickte und fuhr auf einen Parkplatz. Myron nannte Glips Sekretärin seinen Namen, und sie wurden in sein Büro geführt. Calvin Johnson war auch da. Er stand rechts von Clip, der hinter seinem Schreibtisch saß. Clip sah heute älter aus. Die Haut auf seinen Wangen war grau und schlaff. Das Aufstehen schien ihn anzustrengen.
Clip musterte Win einen Moment lang. »Sie müssen Mr Lockwood sein.«
Er wusste sogar über Win Bescheid - wieder gut vorbereitet. »So ist es«, sagte Myron.
»Hilft er uns bei unserem Problem?«
»Ja.«
Sie stellten sich vor, schüttelten einander die Hände und nahmen Platz. Win schwieg - wie meistens in solchen Situationen. Sein Blick glitt von einer Seite des Büros zur anderen. Er nahm alles auf. Er beobachtete Menschen gern eine Weile, bevor er mit ihnen sprach, und das am liebsten in einer Umgebung, in der sie sich zu Hause fühlten.
»Und«, setzte Clip an und zwang sich ein erschöpftes Lächeln ab, »was haben wir bisher?«
»Bei unserem ersten Treffen«, fing Myron an, »haben Sie befürchtet, dass ich etwas Unappetitliches entdecken könnte. Ich würde gerne wissen, worum es da ging?«
Clip versuchte, belustigt auszusehen. »Das ist jetzt nicht persönlich gemeint, Myron, aber wenn ich das gewusst hätte, hätte ich Sie nicht gebraucht.«
Myron schüttelte den Kopf. »Das reicht mir nicht.«
»Wieso?«
»Greg ist früher schon ein paar Mal verschwunden.«
»Und?«
»Und da haben Sie nie den Verdacht gehabt, dass etwas Unappetitliches vorgefallen sein könnte«, sagte Myron. »Warum also jetzt?«
»Ich habe Ihnen doch erklärt, dass die Eigentümerversammlung ansteht.«
»Ist das Ihre einzige Sorge?«
»Natürlich nicht«, sagte Clip. »Ich mache mir auch Sorgen um Greg.«
»Aber früher haben Sie niemanden eingestellt, der ihn suchen sollte. Wovor haben Sie Angst?«
Clip zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich nichts. Ich versuche nur, alle Eventualitäten zu bedenken. Wieso? Was haben Sie herausbekommen?«
Myron schüttelte den Kopf. »Sie versuchen nie, alle Eventualitäten zu bedenken. Sie sind ein risikofreudiger Typ, Clip. Schon immer gewesen. Ich habe gesehen, wie sie beliebte und bewährte Veteranen gegen unerfahrene Rookies getauscht haben. Sie versuchen eher, dem Gegner den Ball abzuluchsen, als sich auf eine sichere Verteidigung zu verlassen. Sie hatten nie Angst, sich weit aus dem Fenster zu lehnen und alles zu riskieren.«
Clip lächelte schwach. »Das Problem mit dieser Strategie«, sagte er, »besteht darin, dass man auch mal verliert. Und manchmal verliert man auf diese Art eine ganze Menge.«
»Was haben Sie dieses Mal verloren?«, fragte Myron.
»Noch nichts«, sagte er. »Aber wenn Greg nicht zurückkommt, könnte es mein Team die Meisterschaft kosten.«
»Das meinte ich nicht. Da läuft noch irgendwas anderes.«
»Tut mir leid«, sagte Clip und hob die Hände. »Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden. Ich habe Sie angestellt, weil es logisch war, das zu tun. Greg war verschwunden. Es stimmt, er war früher schon ein paar Mal verschwunden, aber nie so spät in der Saison und nicht, als wir der Meisterschaft so nah waren. Das ist einfach nicht seine Art.«
Myron sah Win an. Der schien sich zu langweilen.
»Kennen Sie eine Frau namens Liz Gorman?«, versuchte Myron es.
In der Zimmerecke richtete Calvin sich kurz auf.
»Nein«, sagte Clip. »Sollte ich?«
»Wie
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