Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
wir sind auf einem Level, was Macht und Reichtum angeht. Und vor allem haben wir unsere Angelegenheiten immer unter uns ausgemacht.«
Er tritt auf mich zu; ich rieche den Wein in seinem Atem. »›Niemals Schwäche zeigen, Tommy.‹ Das hat mein Vater stets zu mir gesagt. Denn wenn jemand einen schwachen Punkt bei dir entdeckt, weiß er, wo er angreifen muss.«
»Wen meinst du damit? Die Mystiker?«
Er schüttelt den Kopf. »Außerhalb der Stadt beobachtet man uns. Die Nachricht von der Rebellion macht die Runde. Wir haben versucht, Berichte über den Aufstand zu unterdrücken, aber es hat undichte Stellen gegeben.«
Ich verstehe nicht, worauf er hinauswill. »Und?«
» Und Los Angeles und Chicago werden uns bald ›Hilfe‹ anbieten. Das heißt, sie werden Truppen herschicken und die Stadt übernehmen.«
»Warum sollten die das tun?«, frage ich.
»Stell dir vor, wie es für den Rest der Welt aussehen würde, wenn die Rebellen siegen. Die Mystiker würden plötzlich überall ihre Rechte einfordern. Die Folge wären weitere Kriege. Daran hat niemand Interesse und deshalb wird New York von fremden Machthabern übernommen werden. Dann wird aufgeräumt in der Stadt, von einem Aufstand darf nicht mehr gesprochen werden. Dann sind wir alle Sklaven.«
Thomas geht zu einem der geschwärzten Fenster und blickt darauf, als könnte er durch die Scheibe Manhattan sehen. »Die Horste müssen diesen Krieg gewinnen. Wenn nicht, gehen wir alle vor die Hunde – die Mystiker, die Normalsterblichen, die Bewohner der Horste und die Armen in der Tiefe.« Er dreht sich zu mir um und wirkt plötzlich erschöpft. »Verstehst du endlich, was du angerichtet hast?«
Ich wende den Blick ab, denn ich will nicht in Versuchung kommen, Mitleid für ihn zu empfinden. Ehrlich gesagt habe ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht, dass andere Städte Manhattan belauern und uns erobern wollen.
Trotzdem: Wen interessiert, was der Rest der Welt denkt? Haben Mystiker nicht dasselbe Recht auf Gesundheit und Glück wie jeder von uns? Dafür kämpft Hunter. Dafür kämpfe ich.
Thomas dagegen ist nur grausam. Er hat Soldaten geschickt, um mich zu verschleppen, und diese Soldaten haben unschuldige Frauen und Kinder ermordet. Kinder wie Markus.
»Du bist ein Egoist«, sage ich. »Hier geht es nicht nur um uns. Oder um Manhattan. Lass mich frei. Bitte . Wenn ich dir je etwas bedeutet habe …«
»Du begreifst einfach nicht«, höhnt Thomas. »Du hast mir nie etwas bedeutet. Ich habe immer bekommen, was ich wollte, und dein blöder Mystikerfreund gefährdet meine Ziele.« Er packt mich an den Schultern. »Du widerst mich an. Du bist so verdorben, Aria Rose. Und tu nicht so, als wärst nicht auch du zu allem bereit, um ans Ziel deiner Wünsche zu gelangen. Du bist genauso verschlagen wie ich.«
Ich bin fassungslos. »Mit dir habe ich nichts, aber auch gar nichts gemeinsam.«
Thomas zieht die Augenbrauen hoch. »So? Und was ist dann mit dieser Videopropaganda?«
Ich habe keine Ahnung, wovon er redet. »Bist du betrunken?«
»Stell dich nicht dumm. Das passt nicht zu dir. Auch wenn du nicht gerade ein Genie bist.« Thomas geht zur Wand und drückt auf ein Touchpad. Daraufhin wird ein TouchMeMonitor von etwa einem Quadratmeter Größe herausgefahren.
Thomas tippt das Passwort ein und der Bildschirm erwacht zum Leben. »Suche Aria Rose«, befiehlt er.
»Suche wird gestartet«, antwortet eine elektronische Stimme.
Nach wenigen Sekunden erscheinen mehrere Video-Links. Thomas klickt den ersten an. Da bin ich, in meinem Zimmer auf der Farm, vor dem Kamin.
Ich verabscheue, was meine Eltern den Mystikern und den Armen von Manhattan angetan haben. Ich würde alles tun, um sie daran zu hindern.
Thomas klickt das nächste Video an. Ich erkenne das T-Shirt, das ich trage. Das war vor fast einer Woche.
Meine Eltern wollen Manhattan ausbeuten. Wer sich mit ihnen einlässt, gibt seine Grundrechte auf. Schließt euch den Rebellen an.
Thomas hält das Video an. Er betrachtet mich mit gerunzelter Stirn. »Soll ich weitermachen?«
Mein Mund ist auf einmal ganz trocken. Hunter hat unsere Chats aufgezeichnet und sie zu Clips zusammengeschnitten. Ich erinnere mich, wie er mich dazu drängte, meine Eltern zu verleugnen und mich rückhaltlos zu den Rebellen zu bekennen. Mir steigt die Galle hoch; ich habe das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Da die Mystiker sowieso hinter uns stehen, sollen diese Videos vermutlich die nicht-mystischen Armen in der Tiefe
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