Mystic City Bd 1 - Das gefangene Herz
Worte Familie FRED M. ROSE . Die Handschrift kenne ich. Seufzend stecke ich das Papier zurück in den Umschlag und den Umschlag in den Aktenkoffer.
Ich kehre zum Dinnertisch zurück.
»Alles in Ordnung?«, fragt Thomas.
Ich täusche ein Lächeln vor. »Natürlich. Was sollte denn nicht in Ordnung sein?«
Nachdem die Gäste gegangen sind, mache ich mich zum Schlafengehen fertig. Magdalena bürstet mir die Haare und hilft mir beim Abschminken. Sie reicht mir eine Tablette von Dr. May; ich stecke sie in den Mund, spucke sie aber sofort in den Müll, nachdem Magdalena das Zimmer verlassen hat.
Ich kann einfach nicht einschlafen. Bilder von Hunter jagen durch meinen Kopf. Ich spüre noch immer seine Umarmung. Es ist so ungerecht! Wir hatten nur so wenig Zeit. Und jetzt ist er meinetwegen tot.
Weiß Violet Brooks, dass sie ihren Sohn nie wiedersehen wird? Und Turk! Der arme Turk. Er hat es verdient zu erfahren, was seinem Freund zugestoßen ist.
Ich steige aus dem Bett und trete zum Fenster, öffne den Vorhang und schaue hinaus in die Nacht. Wo ist das Schlupfloch? Wie kann ich es aktivieren?
Ein Schatten huscht über den Balkon. Ein Lidschlag – und die Erscheinung ist verschwunden. Ich drücke mein Gesicht an die Scheibe. Kyle? Davida? Aria, mach dich nicht lächerlich, ermahne ich mich. Da ist niemand.
Nachdem ich den Vorhang zugezogen und mich wieder ins Bett gelegt habe, spüre ich das Gewicht des Medaillons auf meiner Brust. Ich hole es unter meinem Nachthemd hervor, reibe an seiner polierten Oberfläche und taste nach dem nicht vorhandenen Verschluss. Was es wohl mit dem Medaillon auf sich hat?
Vielleicht finde ich die Antwort in dem Zettel, der dabei war. Ich mache Licht und hole ihn aus seinem Versteck im Schrank. Nur zwei Wörter: Erinnere dich. Aber vielleicht habe ich etwas übersehen.
Mit zitternden Fingern halte ich das Papier ans Licht. Ich drehe es um, doch die Rückseite ist leer. Was habe ich mir eigentlich erhofft? Dass plötzlich ein Wunder geschieht?
Gerade will ich den Zettel wieder in der Schublade verstecken, da macht es klick, als würde in meinem Kopf ein Zahnrad einrasten.
Erinnere dich.
Ich starre die Wörter an, die sauber abgezirkelten Buchstaben, den Schwung beim E und den Bogen beim R. Diese Handschrift kenne ich. Heute habe ich sie schon einmal gesehen. Auf Benedicts Briefumschlag.
25
»Ist sie nicht fantastisch?«, fragt meine Mutter.
Zögernd betrete ich die Wohnung. Thomas greift nach meiner Hand. Instinktiv will ich ihn wegstoßen, beherrsche mich aber im letzten Moment. Am liebsten würde ich ihn ohrfeigen. Aber ich darf jetzt nicht aus der Rolle fallen.
»Irre«, sagt Thomas und zieht mich ins Wohnzimmer.
Unsere zukünftige Wohnung liegt zwei Stockwerke unter dem Apartment meiner Familie. Laut Vereinbarung mit den Fosters wohnt Thomas auf der West Side, solange Garland im Amt ist – als Geisel, damit die Fosters meine Familie in alle politischen Entscheidungen einbeziehen.
Ich blicke zu der weiß tapezierten Decke hoch und dann durchs Fenster hinaus auf den Hudson. Ob es hier drinnen versteckte Kameras gibt? Überraschen würde es mich nicht.
»Aus Paris«, sagt meine Mutter und deutet auf eine elegante schwarze Couch. Die Räume sind modern und spartanisch eingerichtet, die Wände entweder cremefarben oder altrosa.
Die offene Küche erinnert eher an eine Bar. Weingläser, Teller und juwelenbesetzte Kelche stehen in Regalen. Die Wände sind mit verzinktem Blech verkleidet, in das ein Ziegelmuster geprägt ist. Ich fühle mich wie zu Besuch bei jemandem, den ich nicht mag.
»Was sagst du dazu?«, fragt Thomas und drückt meine Hand.
Ich betrachte den Teppich, den Fernseher, die Gemälde – alles von meiner Mutter ausgesucht. »Wahnsinn!« Ich bemühe mich nach Kräften, begeistert zu klingen.
Meine Mutter lächelt selbstzufrieden. »Natürlich ist noch eine Menge zu tun – wir brauchen Bettwäsche und Handtücher. Oh, und …«
Ich blende sie und meine komplette Umgebung aus. Seit gestern Abend kann ich nur noch an meine Entdeckung denken. Ist Benedict Verfasser der Notiz, die bei meinem Medaillon lag? Oder hat einer seiner Angestellten den Briefumschlag in seinem Aktenkoffer beschriftet? Er muss den Schreiber zumindest kennen. Und der muss wiederum die Person gewesen sein, die mir das Medaillon zugesteckt hat. Aber wie soll ich bloß mit Benedict Kontakt aufnehmen? Ins Büro darf ich nicht mehr, es sei denn …
»Mom?«, frage ich.
Sie unterbricht sich
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