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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Junge war durch sein schwammiges Hirn getanzt und vor seinen Augen waren Blitze aufgetaucht.
    »Ich muss nur einen klaren Kopf bekommen«, flüsterte er und trank einen Schluck Bier. Er musste nur einen klaren Kopf bekommen, dann würde alles gut, sagte er sich und hörte Michael die Treppe herunterkommen. Ich muss mich bloß so lange zusammenreißen, bis sich alles beruhigt, dann schlaf ich mich mal richtig aus, der Junge geht zurück in den Wald, die Leute sehen nicht mehr wie Gummi aus, die Mäuse laufen zurück in ihre Löcher und die schwarzen Fliegen folgen ihnen.
     
    Als Dave mit Michael wieder zu Jimmy und Annabeth ging, war es nach vier. Es war jetzt stiller im Haus, etwas Abgestandenes hing im Zimmer – halb abgegessene Tabletts mit Donuts und Kuchen, die Luft im Wohnzimmer, wo den ganzen Tag lang geraucht worden war, Katies Tod. Am Morgen und frühen Nachmittag hatte eine allgemeine, ruhige Atmosphäre von Trauer und Liebe geherrscht, aber als Dave zurückkam, war sie spürbar abgekühlt, hatte sich vielleicht verändert, weil das Blut beim ruhelosen Kratzen der Stühle und bei den gedämpften Abschiedsgrüßen aus dem Flur in Wallung geriet.
    Celeste zufolge hatte Jimmy den Spätnachmittag größtenteils auf der Veranda verbracht. Ein paar Mal war er hereingekommen, um nach Annabeth zu sehen und Beileidsbekundungen entgegenzunehmen, dann hatte er sich wieder zur Veranda durchgekämpft und sich unter die auf der Leine hängende Wäsche gesetzt, die schon längst trocken und steif war. Dave fragte Annabeth, ob er etwas für sie tun könne, ihr etwas holen, aber sie schüttelte schon mitten in seiner Frage den Kopf, und Dave ahnte, dass es ein dämliches Angebot gewesen war. Hätte Annabeth tatsächlich etwas gebraucht, waren mindestens zehn, vielleicht fünfzehn Leute da, die sie längst darum gebeten hätte, und er rief sich in Erinnerung, warum er hier war und dass ihn ihr Verhalten nicht verdrießen sollte. Dave hatte gemerkt, dass er im Allgemeinen nicht zu den Menschen gehörte, an die man sich wandte, wenn man etwas brauchte. Manchmal kam es ihm vor, als lebte er nicht einmal auf diesem Planeten, und mit tiefem, resigniertem Bedauern hatte er eingesehen, dass er zu den Männern gehörte, die durchs Leben schwebten, ohne dass man sich groß auf sie verließ.
    Einen Anflug dieser Geisterhaftigkeit nahm er mit hinaus auf die Veranda. Von hinten näherte er sich Jimmy, der auf einem alten Strandstuhl unter der flatternden Wäsche saß und den Kopf ein wenig zur Seite neigte, als er Dave kommen hörte.
    »Stör ich dich, Jim?«
    »Dave!« Jimmy lächelte, als Dave um den Stuhl herum kam. »Nein, nein, Mann. Setz dich!«
    Dave setzte sich auf eine Kiste vor Jimmy. Aus der Wohnung hinter Jimmy drangen das Gemurmel von Stimmen und das Klirren von Geschirr, Geräusche von Leben.
    »Ich hab den ganzen Tag kaum mit dir geredet«, sagte Jimmy. »Wie geht’s dir denn?«
    »Wie geht’s dir ?«, gab Dave zurück. »Verdammt.«
    Jimmy streckte die Arme aus und gähnte. »Weißt du, dass mich das alle fragen? Ist wohl normal.« Er ließ die Arme sinken und zuckte mit den Schultern. »Es ändert sich ständig, von Stunde zu Stunde. Im Moment komme ich klar. Kann sich aber ändern. Wird sich wohl ändern.« Wieder zuckte er mit den Schultern und sah Dave an. »Was ist mit deiner Hand passiert?«
    Dave betrachtete sie. Er hatte den ganzen Tag Zeit gehabt, sich eine Erklärung zurechtzulegen, hatte es bloß immer wieder vergessen. »Das? Ich hab ‘nem Freund geholfen, eine Couch zu tragen, und als wir sie das Treppenhaus hochgetragen haben, bin ich mit der Hand gegen den Türrahmen gestoßen.«
    Jimmy neigte den Kopf und sah die Knöchel und die blaue Haut zwischen den Fingern an. »Hm, tja.«
    Dave merkte, dass Jimmy ihm die Geschichte nicht abkaufte, und beschloss, sich für das nächste Mal eine bessere Lüge auszudenken.
    »So was von dämlich«, sagte er. »Wie man es immer schafft, sich selbst wehzutun, was?«
    Jimmy schaute ihm in die Augen, hatte die Hand vergessen und seine Züge entspannten sich. »Schön, dich zu sehen, Mann«, sagte er.
    Fast hätte Dave gefragt: Echt?
    Dave kannte Jimmy seit fünfundzwanzig Jahren und konnte sich an keinen Anlass erinnern, als sich Jimmy gefreut hatte, ihn zu sehen. Manchmal hatte er das Gefühl gehabt, Jimmy habe nichts dagegen, ihn zu sehen, aber das war ja nicht dasselbe. Selbst als sich ihre Lebenswege wieder angenähert hatten, weil sie Cousinen geheiratet hatten,

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