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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Ich muss Pete und Sal anrufen, damit einer im Laden ist. Ich muss aufpassen, dass sich die Mädchen nach dem Aufstehen sauber und ordentlich anziehen. Ich muss auf meine Frau aufpassen, ob sie es packt, verstehst du?« Er schenkte Dave ein schiefes Lächeln und beugte sich vor, wiegte sich, ballte die Hände zu Fäusten. »Ich muss Leuten die Hand geben und Beileid entgegennehmen und im Kühlschrank Platz für das ganze Essen und Bier machen, ich muss mit meinem Schwiegervater zurechtkommen, dann muss ich noch in der Gerichtsmedizin anrufen, damit ich weiß, wann die Leiche meines Kindes freigegeben wird, weil ich ja auch Termine mit dem Bestattungsinstitut und Pastor Vera von Saint Cecilia machen muss, einen Partyservice für die Totenwache finden und einen Raum für nach dem Begräbnis und …«
    »Jimmy«, sagte Dave, »das können wir doch auch machen.«
    Aber Jimmy redete weiter, als wäre Dave gar nicht da.
    »… und ich darf nichts davon vermasseln, ich darf nicht die geringste Kleinigkeit vermasseln, denn sonst stirbt sie noch mal, und zehn Jahre später erinnern sich alle nur noch, dass ihre Beerdigung in den Arsch ging, und das darf nicht passieren, dass man sich an so was erinnert, verstehst du, denn Katie, Mensch, wenn man eins von ihr behaupten kann, seit sie an die sechs Jahre alt war, dann ist das, dass sie ein ordentliches Mädchen war und auf ihre Kleidung achtete, und deshalb ist es in Ordnung, deshalb ist es fast schön, ja?, hier nach draußen zu gehen und einfach nur hier zu sitzen, hier zu sitzen und die Gegend anzugucken und zu versuchen, an was mit Katie zu denken, damit ich weinen kann, weil, Dave, ich schwöre dir, es kotzt mich langsam so richtig an, dass ich noch nicht um sie geweint hab, um meine eigene Tochter. Ich kann einfach nicht flennen.«
    »Jim?«
    »Ja?«
    »Du weinst jetzt.«
    »Ohne Scheiß?«
    »Fühl mal dein Gesicht an, Mann!«
    Jimmy betastete seine Wangen und spürte die Tränen. Er ließ die Hand sinken und betrachtete seine feuchten Finger.
    »Scheiße«, sagte er.
    »Willst du, dass ich dich allein lasse?«
    »Nein, Dave. Nein. Bleib noch ein bisschen sitzen, wenn das okay ist.«
    »Das ist okay, Jim. Das ist okay.«

17 EIN KURZER BLICK
    Eine Stunde vor dem anberaumten Treffen in Martin Friels Büro hielten Sean und Whitey vor Whiteys Haus, damit er das Shirt ausziehen konnte, das er beim Essen bekleckert hatte.
    Whitey wohnte zusammen mit seinem Sohn in einem Mietshaus aus weißem Backstein südlich der Stadtgrenze. Das Apartment war mit beigem Teppichboden ausgelegt, die Wände waren in einem Cremeton gehalten und es roch nach abgestandener Luft wie in Motelzimmern und Krankenhausgängen. Als sie hereinkamen, lief im Fernsehen leise irgendeine Sportsendung, obwohl niemand zu Hause war, und die verschiedenen Bestandteile einer Sega-Spielkonsole lagen auf dem Teppich vor einer wuchtigen Stereoanlage herum. Gegenüber der Anlage stand eine klobige Couch und Sean nahm an, dass der Mülleimer mit McDonald’s-Papier und der Kühlschrank mit Microwellengerichten voll gestopft war.
    »Wo ist Terry?«, fragte Sean.
    »Beim Eishockey, glaub ich«, antwortete Whitey. »Kann auch Baseball sein zu dieser Jahreszeit, aber Eishockey ist seine große Liebe. Das ganze Jahr über.«
    Sean hatte Terry einmal getroffen. Mit vierzehn war er schon ein Riese gewesen, ein gewaltiger Brocken, und Sean konnte sich vorstellen, wie er jetzt, zwei Jahre später, aussah und welchen Schrecken er anderen Jugendlichen einjagte, wenn er mit Höchstgeschwindigkeit über das Eis auf sie zugeschossen kam.
    Whitey hatte das Sorgerecht für Terry, weil seine Frau es nicht hatte haben wollen. Sie hatte Mann und Sohn vor einigen Jahren wegen eines drogenabhängigen Rechtsanwalts verlassen, dem schließlich die Zulassung entzogen und der wegen Unterschlagung angezeigt wurde. Aber sie blieb bei dem Kerl, jedenfalls hatte Sean das gehört, und pflegte gleichzeitig engen Kontakt mit Whitey. Wenn Whitey von ihr sprach, musste Sean sich manchmal in Erinnerung rufen, dass sie geschieden waren.
    So auch jetzt, als er Sean ins Wohnzimmer führte und mit Blick auf die Sega-Konsole sein Hemd aufknöpfte. »Suzanne meint, Terry und ich hätten uns hier eine richtige Traumbude für Männer eingerichtet. Sie verdreht die Augen, weißt du, aber ich hab das Gefühl, sie ist‘n bisschen neidisch. Bier oder so?«
    Sean fiel ein, was Friel über Whiteys Trinkgewohnheiten gesagt hatte, und stellte sich Friels Blick vor,

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