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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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beschrieben einen Bogen, fielen herunter und versanken mit leisem Platschen im Wasser.
    Jimmy kniete sich ans Ufer. Daves Erbrochenes war längst davongeschwommen und Jimmy tauchte die Hände in den Fluss, in das ölige und schmutzige Wasser, und wusch Daves Blut von seinen Händen. In seinen Träumen tat er das manchmal – er wusch sich im Mystic River –, und dann tauchte plötzlich Ray Harris’ Kopf auf und glotzte ihn an.
    Einfach Ray sagte immer dasselbe: »Man kann einen Zug nicht überholen.«
    Und Jimmy antwortete dann stets verwirrt: »Nein, das kann man nicht, Ray.«
    Ray, der wieder versank, grinste: »Ganz besonders du nicht.«
    Dreizehn Jahre lang dieser Traum, dreizehn Jahre lang schaukelte Rays Kopf auf dem Wasser und Jimmy wusste noch immer nicht, was Ray mit seinem Gelaber meinte.

27 WEN LIEBST DU?
    Als Brendan nach Hause kam, stellte er fest, dass seine Mutter zum Bingospielen gegangen war. Sie hatte eine Nachricht hinterlassen. »Hühnchen im Kühlschrank. Gott sei Dank war nichts. Gewöhn dir das bloß nicht an!«
    Brendan sah in seinem Zimmer nach, aber Ray war auch nicht da, und Brendan holte sich einen Stuhl aus der Küche und stellte ihn vor die Vorratskammer. Er kletterte auf den Stuhl, der links leicht nachgab, weil einem der Stuhlbeine eine Schraube fehlte. Er betrachtete den Spalt in der Decke und sah die Fingerabdrücke im Staub. Plötzlich begannen kleine schwarze Pünktchen vor seinen Augen zu tanzen. Er drückte mit der rechten Hand gegen den Spalt und hob die rechte Seite etwas an. Dann nahm er die Hand herunter, wischte sie an der Hose ab und atmete mehrmals tief durch.
    Es gab manchmal Dinge, auf die wollte man keine Antwort haben. Als Brendan erwachsen war, hatte er niemals seinen Vater treffen wollen, weil er seinem Vater nicht ins Gesicht schauen und erkennen wollte, wie leicht es ihm gefallen war, die Familie zu verlassen. Er hatte Katie nie nach ihren Ex-Freunden gefragt, nicht mal nach Bobby O’Donnell, weil er sich nicht vorstellen wollte, wie sie auf jemand anderem lag und ihn küsste, so wie sie Brendan küsste.
    Brendan kannte die Wahrheit. In den meisten Fällen musste man sich nur entscheiden, ob man der Sache ins Gesicht sehen wollte oder sich lieber in bequemer Ignoranz einrichtete und mit einer Lüge lebte. Ignoranz und Lügen wurden oft unterbewertet. Die meisten Menschen, die Brendan kannte, konnten keinen einzigen Tag ohne eine Portion Ignoranz und eine Prise Lügen leben.
    Aber dieser Wahrheit hier musste man sich stellen. Weil Brendan sich ihr schon in der Arrestzelle gestellt hatte und sie wie eine Kugel in ihn gefahren und in seinem Magen stecken geblieben war. Und sie kam nicht wieder heraus, was bedeutete, dass er sich nicht vor ihr verstecken konnte, dass er sich nicht einreden konnte, sie sei gar nicht da. Ignoranz war hier nicht möglich. Lügen brachten einen nicht weiter.
    »Scheiße!«, fluchte Brendan, als er die Deckenleiste zur Seite schob und in die Dunkelheit griff. Seine Finger berührten Staub und Holzspäne und noch mehr Staub, aber keine Pistole. Eine ganze Minute lang tastete er herum, obwohl er wusste, dass sie weg war. Die Waffe seines Vaters war nicht da, wo sie sein sollte. Sie war draußen in der Welt und hatte Katie getötet.
    Er schob die Deckenleiste zurück an ihren Platz. Er holte sich einen Handfeger und kehrte den Staub auf, der zu Boden gerieselt war. Er brachte den Stuhl in die Küche zurück. Brendan verspürte das Bedürfnis, sich äußerst konzentriert zu bewegen. Er hielt es für wichtig, die Ruhe zu bewahren. Er goss sich ein Glas Orangensaft ein und stellte es auf den Tisch. Er setzte sich auf den Küchenstuhl mit dem schiefen Bein und drehte sich um, so dass er die Tür in der Mitte der Wohnung sehen konnte. Er trank einen Schluck Orangensaft und wartete auf Ray.
     
    »Sieh dir das an!«, sagte Sean, als er den Bericht über die Fingerabdrücke aus der Schachtel nahm und ihn aufgeschlagen vor Whitey legte. »Das ist der sauberste, den sie auf der Tür gefunden haben. Er ist klein, weil er einem Kind gehört.«
    »Kurz bevor Katie das Auto abwürgte, hörte die alte Lady Prior zwei Kinder auf der Straße spielen«, führte Whitey aus. »Sie spielten mit Hockeyschlägern, hat sie erzählt.«
    »Sie berichtete, Katie habe ›hey‹ gesagt. Vielleicht war es gar nicht Katie. Die Stimme eines Kindes könnte wie die einer Frau klingen. Keine Fußabdrücke? Natürlich nicht. Was wiegen Kinder denn schon? Fünfzig

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