Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
es der Traum?«, flüsterte Jimmy.
    »Ja, es war der Traum«, antwortete Dave und fühlte, wie die Lüge sich kalt in seinem Magen ausbreitete und so eisig wurde, dass er dachte, er hätte vielleicht Hunger, weil er sich ja schließlich vor wenigen Minuten am Mystic River übergeben hatte. Aber es war eine andere Kälte, so etwas hatte er noch nie gespürt. Eine eisige Kälte. So kalt, dass sie schon fast heiß war. Nein, sie war heiß. Sie brannte in ihm, fraß sich hinunter in seinen Schoß und hinauf in seine Brust, nahm ihm die Luft.
    Aus dem Augenwinkel sah er, wie Val Savage in die Luft sprang und rief: »Na, also! Geht doch!«
    Dave schaute Jimmy an. Jimmys Lippen schienen sich sowohl sehr langsam als auch sehr schnell zu bewegen, als er sagte: »Wir bitten hier für unsere Sünden um Vergebung, Dave. Wir waschen uns rein.«
    Dave setzte sich. Er sah das Blut aus seinem Bauch auf seine Hose sickern. Es lief aus ihm, und als er die Hand auf den Bauch legte, berührten seine Finger einen Spalt, der von einer Seite zur anderen reichte.
    Er sagte: »Du hast gelogen.«
    Jimmy beugte sich über ihn. »Was?«
    »Du hast gelogen.«
    »Siehst du, wie sich seine Lippen bewegen?«, rief Val. »Er bewegt die Lippen.«
    »Das sehe ich selbst, Val.«
    Da begriff Dave. Es war die grässlichste Erkenntnis, mit der er je konfrontiert worden war. Sie war gemein und gleichgültig. Sie war gefühllos und bestand nur aus zwei Worten: Ich sterbe.
    Diesmal gibt es kein Zurück. Diesmal werden mir meine Lügen nicht weiterhelfen. Diesmal hat es keinen Zweck zu betteln. Diesmal werden mir meine Geheimnisse nichts nützen. Ich kann keine Gnade erwarten oder auf Mitleid hoffen. Mitleid von wem? Es ist allen egal. Es ist allen egal. Nur mir nicht. Mir ist es nicht egal. Ganz und gar nicht. Und das ist ungerecht. Ich kann es nicht allein mit diesem Tunnel aufnehmen. Bitte lasst mich nicht da hingehen! Bitte weckt mich auf! Ich will aufwachen. Ich will dich fühlen, Celeste. Ich will deine Arme fühlen. Ich bin noch nicht bereit.
    Er zwang sich, Val anzugucken, der Jimmy etwas gab, das Jimmy Dave an die Stirn legte. Es war kalt. Es war ein kalter Kreis, der ein angenehmes Gefühl auf der Haut hinterließ und das Brennen in seinem Körper linderte.
    Warte! Nein. Nein, Jimmy! Ich weiß, was das ist. Ich kann den Abzug sehen. Nicht, nicht, nicht, nicht! Sieh mich an! Erkenne mich! Tu es nicht! Bitte! Wenn du mich ins Krankenhaus bringst, wird alles gut! Die kriegen mich wieder hin. O Gott, Jimmy, tu das nicht mit deinem Finger tu das nicht ich hab gelogen ich hab gelogen bitte bring mich nicht fort von hier bitte nicht ich bin nicht bereit für eine Kugel in meinem Kopf. Das ist niemand. Niemand. Bitte nicht.
    Jimmy ließ die Pistole sinken.
    Danke, sagte Dave. Danke, danke.
    Dave legte sich hin und sah Lichtkegel über die Brücke huschen, sie durchschnitten die schwarze Nacht, glühten. Danke, Jimmy. Jetzt werde ich ein guter Mensch. Du hast mir etwas gezeigt. Wirklich. Und ich sag dir, was ich meine, sobald ich wieder Luft kriege. Ich werde ein guter Vater sein. Ich werde ein guter Mann sein. Versprochen. Ich schwöre …
    »Also, gut. Vorbei«, meinte Val.
    Jimmy schaute auf Daves Körper hinunter, auf die Spalte, die er in Daves Bauch geschlitzt hatte, auf das Einschussloch in Daves Stirn. Jimmy streifte seine Schuhe ab, zog seine Jacke aus. Dann entledigte er sich seines Pullovers und der Hose, die mit Daves Blut befleckt war. Den Jogginganzug aus Nylon, den er darunter trug, zog er ebenfalls aus und legte ihn auf den Kleiderhaufen neben Dave. Er hörte, dass Val Schlackesteine und eine Kette in Hueys Boot schleppte, dann kam Val mit einer großen grünen Mülltüte zurück. Unter dem Jogginganzug trug Jimmy T-Shirt und Jeans. Val holte ein Paar Schuhe aus der Mülltüte und reichte sie Jimmy. Jimmy zog sie an und untersuchte T-Shirt und Jeans auf Blutspuren, die möglicherweise durchgesickert waren. Aber es gab keine. Selbst der Jogginganzug war kaum schmutzig.
    Jimmy kniete sich neben Val und stopfte seine Sachen in die Tüte. Dann lief er mit dem Messer und der Pistole an den Rand des Kais und schleuderte sie nacheinander in den Mystic River. Er hätte sie zusammen mit der Kleidung in die Tüte stecken und später zusammen mit Daves Leiche aus dem Boot werfen können, aber aus irgendeinem Grund musste er es jetzt tun, musste seinen Arm bewegen, indem er ihn nach vorne schleuderte. Die Waffen flogen spiralförmig durch die Luft,

Weitere Kostenlose Bücher