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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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hauptsächlich daher rührte, dass Annabeth auf der Bildfläche erschienen war, als Katie sieben war, ihren Vater gerade kennen lernte und den Verlust ihrer Mutter alles andere als verwunden hatte. Katie war ersichtlich dankbar für die Anwesenheit einer Frau in der einsamen Wohnung gewesen, die sie mit dem Vater teilte. Aber der Tod ihrer Mutter hatte sie verletzt – zwar nicht irreparabel, aber doch sehr tief, das wusste Jimmy –, und wann immer sich Katie an diesen Verlust in den folgenden Jahren erinnern sollte, lastete sie ihn in erster Linie Annabeth an, die als Mutter nie das tat, was Marita ihrer Meinung nach alles für sie getan hätte.
    »Mensch, Jimmy!«, sagte Annabeth, während sich Jimmy einen Pullover über das T-Shirt zog, in dem er geschlafen hatte, und seine Jeans suchte. »Du willst doch jetzt nicht etwa los, oder?«
    »Nur für ‘ne Stunde.« Jimmy fand seine Jeans am Bettpfosten. »Höchstens zwei. Sal sollte Katie sowieso um zehn ablösen. Pete ruft ihn gerade an und fragt, ob er was früher kommen kann.«
    »Sal ist über siebzig.«
    »Eben. Was soll der so lange schlafen? Wurde bestimmt um vier von seiner Blase aus dem Bett geholt und guckt seitdem Fernsehen.«
    »Scheiße!« Annabeth schob die Bettdecke zur Seite und stand auf. »Die dämliche Katie! Will sie uns diesen Tag auch noch versauen?«
    Jimmy merkte, dass er einen dicken Hals bekam. »Welchen anderen Tag hat sie uns denn in letzter Zeit versaut?«
    Annabeth winkte ihm zu, als sie im Badezimmer verschwand. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wo sie stecken könnte?«
    »Bei Diane oder Eve«, antwortete Jimmy der winkenden Hand. Annabeth – ohne Frage die Liebe seines Lebens –, Mensch, sie hatte keine Ahnung, wie kalt sie manchmal sein konnte, hatte keine Vorstellung, wie ihre schlechte Laune anderen zu schaffen machte, und das war typisch für die Savages. »Vielleicht bei einem Freund.«
    »Ja? Mit wem geht sie denn im Moment?« Annabeth stellte die Dusche an, machte einen Schritt zurück und wartete, dass das Wasser warm wurde.
    »Ich dachte, das wüsstest du besser als ich.«
    Annabeth durchstöberte den Badezimmerschrank nach der Zahnpasta und schüttelte den Kopf. »Mit Klein-Cäsar ist sie seit November nicht mehr zusammen. Das hat mir gereicht.«
    Jimmy musste grinsen, als er seine Schuhe anzog. Annabeth hatte Bobby O’Donnell immer »Klein-Cäsar« genannt, manchmal hatte sie noch schlimmere Namen für ihn parat gehabt, und zwar nicht nur weil er ein Möchtegerngangster mit einem kalten Blick war, sondern weil er so klein und pummelig war wie Edward G. Robinson. Es waren angespannte Monate gewesen, als Katie im vergangenen Sommer mit ihm gegangen war, und die Savage-Brüder hatten Jimmy gesagt, sie würden das Schwein notfalls umlegen, und Jimmy wusste damals nicht, ob sie moralisch empört waren, weil so ein Schleimscheißer sich mit ihrer geliebten Stiefnichte traf oder weil Bobby O’Donnell eine zu große Konkurrenz für sie war.
    Aber schließlich hatte Katie selbst Schluss gemacht und abgesehen von zahllosen Telefongesprächen nachts um drei und einem Beinahe-Gemetzel um Weihnachten herum, als Bobby und Roman Fallow bei ihnen auf der Matte gestanden hatten, war die Sache ziemlich glimpflich abgelaufen.
    Annabeths Hass auf Bobby O’Donnell belustigte Jimmy manchmal, weil er nicht genau wusste, ob er daher rührte, dass O’Donnell wie Edward G. Robinson aussah und mit ihrer Stieftochter geschlafen hatte, oder eventuell auch weil Bobby, anders als ihre Brüder, die sie für Profis hielt, nur eine kleine Nummer war und Annabeth durchaus bekannt war, dass ihr Mann in den Jahren vor Maritas Tod auch ein Profi gewesen war.
    Marita war vor vierzehn Jahren gestorben, als Jimmy eine zweijährige Strafe im »Deer Island House of Corrections« in Winthrop absaß. Eines Samstags, während der Besuchszeit, hatte Marita mit der zappelnden, fünfjährigen Katie auf dem Schoß Jimmy erzählt, ein Muttermal auf ihrem Arm sei in letzter Zeit dunkler geworden, sie wolle einen Arzt im Krankenhaus aufsuchen. Nur um sicherzugehen, sagte sie. Vier Samstage später bekam sie Chemotherapie. Sechs Monate, nachdem sie ihm von dem Muttermal erzählt hatte, war sie tot und Jimmy war gezwungen gewesen, an einem dunklen, von Zigaretten, Schweiß und Spermaflecken versifften Holztisch, der ein Jahrhundert lang das Quatschen und Klagen von Verurteilten gehört hatte, zuzusehen, wie der Körper seiner Frau über mehrere Samstage hinweg allmählich

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