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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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ließ das Wasser laufen und sah zu, wie Blut, kleine Hautfetzen und, o Gott, Stücke vom Gehirn, ganz bestimmt, in den Abfluss gespült wurden. Sie staunte, wie viel Blut im menschlichen Körper war. Angeblich hatte jeder Mensch sechs Liter, aber Celeste kam es immer viel mehr vor. In der vierten Klasse war sie einmal mit Freunden durch einen Park gelaufen und gestolpert. Sie hatte den Sturz abfangen wollen und war mit der Hand in eine Glasscherbe gefallen, die senkrecht im Gras steckte. Alle größeren Adern und Venen in ihrer Hand waren durchtrennt worden, und nur weil sie so jung war, wuchsen sie in den nächsten zehn Jahren wieder zusammen. Trotzdem war sie schon vierundzwanzig, bis sie wieder Gefühl in allen fünf Fingerspitzen hatte. Woran sie sich aber am besten erinnerte, war das Blut. Als sie die Hand damals aus dem Gras gezogen und ihr Ellenbogen gesummt hatte, als hätte sie sich den Musikantenknochen gestoßen, war das Blut aus ihrer aufgeschnittenen Hand geschossen und zwei ihrer Freundinnen hatten laut geschrien. Zu Hause war ein ganzes Waschbecken voll Blut gelaufen, während sie auf den Krankenwagen wartete. Im Krankenwagen hatten sie einen Druckverband um die Hand gemacht, der so dick war wie ihr Bein, aber der Mull war in weniger als zwei Minuten dunkelrot gewesen. Im Krankenhaus hatte sie auf einer weißen Transportliege gelegen und zugesehen, wie sich in den Falten des Lakens kleine Canyons bildeten, die sich mit Blut füllten. Und als sich das Laken voll gesogen hatte, war das Blut rot auf den Boden getropft und hatte Pfützen gebildet, bis ihre Mutter so lange und laut kreischte, dass einer von der Notaufnahme entschied, Celeste solle als Erste behandelt werden. So viel Blut aus einer Hand.
    Und jetzt so viel Blut aus einem Kopf. Von Dave, der einem anderen ins Gesicht geschlagen, seinen Schädel auf den Boden gehauen hatte. Hysterisch vor Angst, davon war sie überzeugt. Sie hielt die Hände in den Handschuhen unters Wasser und suchte sie noch einmal nach Löchern ab. Nichts. Großzügig kippte sie Geschirrspülmittel über das T-Shirt und bearbeitete es mit Stahlwolle, wrang es aus und fing noch mal von vorne an, bis das Wasser, das aus dem T-Shirt tropfte, nicht mehr rosa, sondern sauber war. Das Gleiche machte sie mit der Jeans und inzwischen war Dave aus der Dusche gekommen, hatte sich mit einem Handtuch um die Hüften an den Küchentisch gesetzt und rauchte eine der langen weißen Zigaretten, die ihre Mutter in einem Schrank hinterlassen hatte, trank ein Bier und beobachtete sie.
    »Alles versaut«, sagte er leise.
    Sie nickte.
    »Ich meine, verstehst du das?«, flüsterte er. »Man geht vor die Tür, denkt an nichts Böses, Samstagabend, schönes Wetter und dann …« Er stand auf und kam zu ihr, lehnte sich gegen den Herd und sah ihr zu, wie sie das linke Bein der Jeans auswrang. »Warum tust du sie nicht in der Abstellkammer in die Waschmaschine?«
    Sie schaute ihn an und stellte fest, dass die Wunde auf seiner Brust nach dem Duschen ein faltiges Weiß angenommen hatte. Sie verspürte ein nervöses Bedürfnis zu kichern, verkniff es sich aber und antwortete: »Spuren, Süßer.«
    »Spuren?«
    »Tja, ich weiß ja nicht genau, aber ich nehm an, Blut und … andere Sachen bleiben eher in der Waschmaschine kleben als in einem Abflussrohr.«
    Er pfiff anerkennend. »Spuren.«
    »Spuren«, wiederholte sie und erlaubte sich jetzt doch zu grinsen, fühlte sich wie eine Verschwörerin, gefährlich, Teil von etwas Großem, Lohnendem.
    »Wahnsinn, Schatz, du bist ein Genie!«, sagte er.
    Sie war mit der Jeans fertig, drehte das Wasser ab und machte eine kleine Verbeugung.
    Vier Uhr morgens und sie war wacher als in all den Jahren zuvor. Sie war so wach wie mit acht Jahren zu Weihnachten. Sie hatte Koffein im Blut.
    So was wünschte man sich das ganze Leben lang. Man redete sich zwar ein, das wäre nicht so, aber es stimmte doch. In ein Drama verwickelt zu sein. Und zwar nicht das Drama unbezahlter Rechnungen und unbedeutender Ehekräche. Nein. Dies war das wahre Leben und noch viel mehr. Es war das megawahre Leben. Eventuell hatte ihr Mann einen bösen Menschen getötet. Und wenn dieser böse Mensch wirklich tot war, würde die Polizei wissen wollen, wer es getan hatte. Und wenn die Fährte tatsächlich zu ihnen führen sollte, zu Dave, würde die Polizei Beweise brauchen.
    Celeste sah schon vor sich, wie sie an ihrem Küchentisch saßen, die Notizbücher aufschlugen, wie sie nach Kaffee und der

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