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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Frau. Von außen betrachtet, mochten sie wie Freunde wirken. Vielleicht glaubte Theo das auch. Immerhin hatte das Alter Theo so sanft gemacht, dass er seiner Tochter seine Liebe zeigte und die Enkel verwöhnte. Es war eine Sache, jemanden nicht wegen seiner alten Sünden zu verdammen, aber eine andere, Ratschläge von ihm anzunehmen.
    »Verstehst du, was ich meine?«, fragte Theo. »Pass auf, dass du nicht in deiner Trauer versinkst, Jim, und deinen familiären Pflicht nachkommst.«
    »Meinen familiären Pflichten«, wiederholte Jimmy.
    »Ja. Du weißt, dass du auf meine Tochter aufpassen musst und auf die beiden Kleinen. Die haben jetzt oberste Priorität.«
    »Aha«, sagte Jimmy. »Meinst du, das könnte ich eventuell vergessen, Theo?«
    »Nicht dass du es absichtlich vergessen würdest, Jim, nur dass es aus Versehen passieren könnte. Mehr nicht.«
    Jimmy betrachtete Theos linkes Knie und stellte sich vor, wie es in einer roten Wolke explodierte. »Theo?«
    »Ja, Jim?«
    Jimmy sah das andere Knie hochgehen und konzentrierte sich auf die Ellenbogen. »Meinst du nicht, man hätte mit diesem Gespräch warten können?«
    »Besser jetzt als nie.« Theo ließ sein dröhnendes Gelächter erschallen, aber es hatte einen warnenden Unterton.
    »Morgen, zum Beispiel?« Jimmy wandte den Blick von den Ellenbogen ab und richtete ihn auf Theos Augen. »Ich meine, morgen wäre doch in Ordnung gewesen. Oder, Theo?«
    »Ich hab gesagt, besser jetzt als nie, Jimmy.« Theo wurde sauer. Er war ein großer Mann mit unberechenbarem Temperament und Jimmy wusste, dass Theo manchen Menschen Angst einjagte, dass sie ihn auf der Straße mit verängstigten Gesichtern anblickten, er sich aber daran gewöhnt hatte und Angst inzwischen mit Ehrfurcht verwechselte. »Hey, so wie ich das sehe, gibt’s keinen richtigen Zeitpunkt für so ein Gespräch. Hab ich Recht? Deshalb hab ich gedacht, ich erledige das besser jetzt. So schnell wie möglich, sozusagen.«
    »Hm, klar«, erwiderte Jimmy. »Tja, du hast es ja gesagt: Besser jetzt als nie, oder?«
    »Stimmt. Guter Junge.« Theo tätschelte Jimmys Knie und stand auf. »Du überstehst das schon, Jimmy. Das Leben geht weiter. Den Schmerz wirst du ertragen, aber es geht weiter. Weil du ein Mann bist. Das hab ich zu Annabeth gesagt, in eurer Hochzeitsnacht hab ich gesagt: ›Schätzchen, da hast du einen richtig anständigen Kerl gefunden. Einen perfekten Mann‹, hab ich gesagt. Einen Crack. Einen Typ, der …«
    »Als ob man sie in einen Sack gesteckt hätte«, unterbrach ihn Jimmy.
    »Was?«, fragte Theo.
    »So sah Katie aus, als ich sie gestern Nacht im Leichenschauhaus identifizieren musste. Als hätte sie einer in einen Sack gesteckt und mit einem Knüppel draufgeschlagen.«
    »Hm, tja, lass dir das nicht …«
    »Man konnte nicht mal mehr sehen, was sie für eine Hautfarbe hatte, Theo. Schwarz oder braun wie ihre Mutter. Oder gelb. Weiß sah sie jedenfalls nicht aus.« Jimmy betrachtete seine zwischen den Knien verschränkten Hände und entdeckte Flecken auf dem Küchenboden, einen braunen Klecks neben seinem linken Fuß und Senf an einem Tischbein. »Janey ist im Schlaf gestorben, Theo. Bei allem Respekt und so, aber so war es. Sie ist ins Bett gegangen und nicht mehr aufgewacht. Friedlich eingeschlafen.«
    »Über Janey redest du besser nicht, verstanden?«
    »Aber meine Tochter, ja? Die wurde ermordet. Das ist ein kleiner Unterschied.«
    Einen Augenblick lang war es in der Küche still – so still, dass Jimmy das Blut in seinen Ohren rauschen hörte, was man nur in einer leeren Wohnung wahrnimmt, wenn man von einer Menschenansammlung kommt – und Jimmy fragte sich, ob Theo dämlich genug war, weiterzureden. Los, komm, Theo, mach ‘nen blöden Spruch. Ich bin in der richtigen Stimmung, ich muss dieses wabernde Gefühl aus mir rausreißen und es in jemand anderen reinstopfen.
    »Hör zu!«, sagte Theo. »Ich versteh das.« Jimmy atmete hörbar durch die Nase aus. »Echt, Jim. Aber du brauchst nicht …«
    »Was?«, fragte Jimmy. »Was brauch ich nicht? Meine Tochter bekommt eine Wumme an den Kopf gehalten und ihr wird der Hinterkopf weggepustet und du willst mir erzählen, was ich für – wie war das? – Prioritäten setzen soll? War das so? Hab ich das richtig verstanden? Du willst dich hier hinstellen und das beschissene große Familienoberhaupt spielen?«
    Theo schaute auf seine Füße, ballte die Fäuste und atmete schwer: »Ich glaub nicht, dass ich das verdient habe.«
    Jimmy stand

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