Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
unterhielten sich, aber keiner machte einen besonders gesprächigen oder zufriedenen Eindruck. Sie beugten sich beide so weit nach vorn, als wetteiferten sie darum, wer als Erster von der Couch fiele. Celeste verspürte zwickendes Mitgefühl für ihren Mann – für die unbestimmte, aber konstante Aura von Fremdheit, die ihn manchmal zu umgeben schien, besonders in dieser Gesellschaft. Schließlich kannten ihn alle. Alle wussten, was ihm als kleiner Junge zugestoßen war, und auch wenn sie damit leben konnten, ohne ihn abzuschreiben (und das hätten sie tun können), war Dave nicht in der Lage, in der Nähe von Menschen, die ihn immer schon gekannt hatten, vollkommen gelassen zu sein, sich uneingeschränkt wohl zu fühlen. Wenn er und Celeste mit einer kleinen Gruppe von Kollegen oder mit Freunden aus einem anderen Stadtteil ausgingen, war Dave so lässig und selbstsicher wie kein anderer, machte witzige Bemerkungen und schrullige Beobachtungen, war der umgänglichste Typ, den man sich vorstellen konnte. (Ihre Freundinnen aus Ozmas Haarstudio und deren Männer fanden Dave toll.) Aber hier, wo er aufgewachsen war und Wurzeln geschlagen hatte, machte er immer den Eindruck, als hinke er jedem Gespräch einen halben Satz hinterher, sei einen halben Schritt aus dem Takt, immer der Letzte, der den Witz verstand.
    Sie versuchte, seinen Blick zu erhaschen und ihm zuzulächeln, damit er wusste, dass er nicht vollkommen allein war, solange sie sich in der Wohnung befand. Doch drängte sich ein Menschenknäuel in den offenen Durchgang, der das Ess- vom Wohnzimmer trennte, und Celeste verlor ihn aus den Augen.
    Unter anderen Leuten fiel einem am ehesten auf, wie wenig Zeit man mit dem Menschen verbrachte, den man liebte und mit dem man lebte. Sie hatte in dieser Woche nicht viel von Dave gehabt, mal abgesehen von der Samstagnacht auf dem Küchenboden, nachdem er fast überfallen worden war. Und sie hatte ihn so gut wie gar nicht gesehen, seit Theo Savage gestern um sechs Uhr angerufen und gesagt hatte: »Hallo, Süße, ich hab eine schlechte Nachricht. Katie ist tot.«
    Celestes erste Reaktion war: »Das stimmt nicht, Onkel Theo.«
    »Süße, allein das zu erzählen, bringt mich schon um. Aber es stimmt. Die Kleine wurde ermordet.«
    »Ermordet?«
    »Im Pen-Park.«
    Celeste hatte den Fernseher auf dem Küchentresen angestarrt – die wichtigsten Meldungen der Sechs-Uhr-Nachrichten; man sendete noch immer live und eine Luftaufnahme zeigte Polizisten, die an einem Ende der Kinoleinwand zusammenstanden. Was den Namen des Opfers anging, tappten die Journalisten noch im Dunkeln, doch konnten sie bestätigen, dass die Leiche einer jungen Frau gefunden worden war.
    Nicht Katie. Nein, nein, nein.
    Celeste hatte zu Theo gesagt, sie würde sofort zu Annabeth rübergehen. Dort hielt sie sich nun seit dem Anruf auf, abgesehen von einem kurzen Nickerchen zu Hause von drei bis sechs Uhr morgens.
    Und dennoch konnte sie es noch immer nicht wirklich glauben. Nicht einmal, nachdem sie mit Annabeth, Nadine und Sara geweint hatte. Nicht einmal, nachdem sie Annabeth im Wohnzimmer festgehalten hatte, als die Cousine fünf grausame Minuten lang von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt worden war. Nicht einmal, nachdem sie Jimmy in Katies dunklem Zimmer hatte stehen sehen, das Gesicht ins Kopfkissen seiner Tochter gedrückt. Er hatte nicht geweint oder mit sich selbst geredet, er hatte keinen Laut von sich gegeben. Er stand einfach da, drückte sein Gesicht ins Kissen und atmete den Geruch von Haar und Haut seiner Tochter ein, immer wieder. Ein, aus. Ein, aus …
    Nicht einmal nach all dem hatte sie es so richtig verstanden. Katie, meinte sie, würde jeden Augenblick durch die Tür hereinkommen, in die Küche hüpfen und ein Stück Frühstücksspeck von dem Teller neben dem Herd stibitzen. Katie konnte nicht tot sein. Ging gar nicht.
    Vielleicht auch nur, weil da diese Sache, diese unlogische Sache ganz hinten in der dunkelsten Ecke von Celestes Kopf lauerte, dieses Gefühl, dass sie gehabt hatte, als sie Katies Auto im Fernsehen gesehen und ihr durch den Kopf geschossen war: Blut gleich Dave, obwohl das natürlich Unsinn war.
    Und jetzt spürte sie Dave hinter den ganzen Leuten auf der anderen Seite des Wohnzimmers. Sie spürte seine Einsamkeit und sie wusste, dass ihr Ehemann ein guter Mann war. Ein Mann mit Fehlern, aber ein guter. Sie liebte ihn, und wenn sie ihn liebte, war er gut, und wenn er gut war, konnte das Blut an Katies Wangen nichts mit

Weitere Kostenlose Bücher