Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
»Ich muss weiter. Folgen Sie mir nicht. Lassen Sie mich in Ruhe. Es ist nicht gut, wenn Sie bei mir sind. Sie befinden sich in größter Gefahr.«
»Du hast mich geheilt, du hast ihn geheilt. D as kann man doch nicht so einfach ignorieren!«
»Es war ein Zufall.« Peter beugte sich vor. Er wirkte traurig und zornig gleichermaßen. »Ich wollte mich hier oben vor Ihnen verstecken. Ich wusste, dass Sie nach mir suchen würden. Die Sache mit dem Unfall war ein Zufall. Ich konnte nicht anders , als diesem armen Kerl zu helfen.«
»Verstecken? Warum versteckst du dich vor mir?« Rita roch seine Haut. Er war ihr ganz nahe. »Du hast mein Leben gerettet. Du bist für mich verantwortlich.«
»Lassen Sie den Unsinn«, schnappte Peter , und seine Augen glitzerten vor verhaltener Wut. »Kommen Sie mir nicht mit diesem Quatsch! Ich bin weder für Sie noch für diesen Skifahrer verantwortlich. Ich tat lediglich, was ich tun musste! Und nun lassen Sie mich in Ruhe!«
Er ließ sie einfach stehen und rannte davon.
Über ihnen blubberte ein Hubschrauber. Offensichtlich kehrte die Bergwacht unverrichteter Dinge zurück ins Tal. Der Vorfall würde für eine Menge Gesprächsstoff und Aufregung sorgen.
So einfach wollte Rita es Peter nicht machen. Sie stieß sich mit dem Rücken vom Baum ab und lief ihm hinterher. Erneut versank sie bis zu den Knien im Schnee. Mühsam zog sie Fuß für Fuß heraus. Die Verfolgung war einfach - sie brauchte lediglich Peters Spuren folgen.
Tatsächlich sah sie ihn einige Minuten später wieder. Er steckte im Schnee fest und versuchte, sich daraus zu befreien, indem er sich an einem überhängenden Ast festhielt und sich daran hochzog. Erst jetzt wurde Rita deutlich, wie gefährlich es war, abseits der offiziellen Wege ins Tal zurückzukehren. Der Schnee war teilweise mehr als einen Meter hoch.
Vorsichtig, Schritt für Schritt überprüfend, näherte sie sich Peter. Ihr Herz schlug wie eine Trommel. Vor ihrem Gesicht stand die weiße Wolke ihres Atems.
Peter wirbelte herum. »Nein!« Er breitete seine Arme aus. »Da drüben ist die Straße! Nur fünfzig Meter entfernt. Gehen Sie zur nächsten Gondelstation und fahren Sie zurück nach Grindelwald. Lassen Sie mich in Ruhe!«
»Du bist ein …«, zischte Rita. Sie wollte Mistkerl sagen, brachte es aber nicht über ihre Lippen.
In seinem Gesicht paarte sich Trauer mit Resignation. »Es ist besser für Sie, wenn Sie auf mich hören, Rita, falls Ihnen Ihr Leben lieb ist!«
Rita kam sich vor wie eine Närrin. Sie bettelte und redete sich den Mund fusselig, aber Peter Steinert war nicht bereit, ihr die Informationen zu geben, nach denen sie suchte. Er ließ sie einfach stehen, stapfte davon, und in diesem Moment hätte Rita diesem Mann am liebsten ein Messer in den Rücken gerammt. Sie kam sich nicht nur vor wie eine Närrin, sondern fühlte sich ausgenutzt und verwirrt.
Sie starrte ihm hinterher, bis er zwischen den Bäumen verschwunden war. Wie betäubt schlich sie zum Weg, da sie dort leichter vorankommen würde, denn hier war der Boden fest und trittsicher.
Rita weinte.
Sie tastete nach einem Papiertaschentuch und schnäuzte sich. Erschrocken sprang sie zur Seite, um zwei Snowboardern aus dem Weg zu gehen. Im Nu waren sie vorbei.
Der Weg schlängelte sich durch eine malerische Landschaft, die Sonne zauberte wunderbare Schatten und Farben, und im Hintergrund standen Bergketten, die in tausend Farben leuchteten. Bei jeder anderen Gelegenheit hätte Rita ihren Spaziergang und die Schönheit der Natur genossen, jetzt aber konnte sie nur an ihn denken. Ihr Blick suchte die weißen, mit Bäumen bestandenen Hügel ab.
Irgendwo dort war er jetzt - Peter. Er befand sich auf der Flucht.
Vor was oder vor wem flüchtete er?
Hatte er ein Verbrechen begangen?
Nein! Das konnte Rita sich nicht vorstellen. Sie hatte seine Augen gesehen. Es waren die Augen eines guten Menschen. Er war ein Heiler. Andererseits hatte er auch Härte ausgestrahlt, eine Mischung aus Sensibilität und Grausamkeit. Kurzum - er war der interessanteste Mann, dem Rita je begegnet war. Wieder schlug ihr Herz schnell, aber diesmal nicht vor Anstrengung, sondern vor Sehnsucht. In diese Sehnsucht mischte sich Zorn.
Verdammt - er hatte sie behandelt wie ein dummes Mädchen. Er hatte sich benommen wie ein Obermacho. Auch wenn Rita sich in Floskeln verloren hatte, war etwas Wahres an dem gewesen, was sie gesagt hatte: Er hatte ihr das Leben gerettet, und auch wenn er die
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