Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
Pad, klickte hier und dort. Das Foto zeigte eine Gesamtansicht des Speisesaals. Diesmal handelte es sich um das Frühstück. Man konnte sehr gut das Büffet sehen. Ansonsten war der Raum menschenleer. Nein - nicht ganz ...
Brad betätigte zwei Tasten und vergrößerte einen Ausschnitt. »Da ist doch noch jemand. Erkennst du ihn?« Er sah Linda an. »Unser Kapitän! Er steht da, als überwache er das Frühstück. Ich frage mich, warum. Es ist wieder einmal niemand sonst im Saal.«
Linda schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte, sodass das Notebook tanzte. »Ich bin doch nicht bescheuert!«, schnappte sie. »Als ich dieses Foto machte, war Trubel und Jubel im Speiseraum! Ich erinnere mich genau daran! An ihn erinnere ich mich nicht. Wie auch - es wimmelte vor Menschen.« Der Fingernagel ihres Zeigefingers tippte hart gegen das Bild, gegen den Kapitän.
»Menschen ...«, murmelte Brad hinter zusammengekniffenen Lippen hervor.
»Wie meinst du das?«
»Warte.« Er manipulierte das Foto erneut. Immer, wenn ein neuer Streifen über das Bild lief, veränderte es sein Aussehen. Viermal, fünfmal geschah das und nun war es offensichtlich. Es war auch etwas anderes im Raum. Silhouetten. Zwar waren Kapitän, Möbel und Büffet zwischenzeitig so sehr überkonturiert, dass man sie kaum noch erkennen konnte, dafür gewannen die anderen Gäste an Gestalt. »Siehst du diese Ränder? Wie Bilder, die sich auflösen. Vermutlich hast du genau das im Display wahrgenommen, was auch da war, und inzwischen haben sich alle Gestalten, die nicht menschlich sind, aufgelöst. Man kann regelrecht dabei zuschauen, wie ihre Konturen verschwimmen und zarter werden, bis sie unsichtbar sind.«
Es schauderte Linda. Stumm nickte sie. Es sah aus, als habe man Personen fotografiert, die aus milchigem Nebel bestanden. Die Gestalten waren nur entfernt mit denen von Menschen zu vergleichen, ähnelten vielmehr dem von einem Feuer aufsteigenden Rauch. Zwanzig, dreißig unterschiedlich platzierte Rauchsäulen im Speisesaal. Und hinten rechts in der Ecke ein durchaus menschlicher Kapitän, der die Szenerie betrachtete.
Brad klopfte einen Befehl in die Tastatur und der integrierte Drucker surrte. Nach wenigen Sekunden fiel an der Seite das entwickelte Foto heraus. Mit spitzen Fingern nahm Linda es. Sie betrachtete es von allen Seiten. Schweiß tropfte ihr über die Nase. Obwohl es draußen erst früher Nachmittag war und die Sonne schien, wirkte die Dämmerung in der Kabine unheimlich.
Brad beendete das Programm und startete es neu. »Vielleicht haben wir es mit einem Fehler zu tun.«
»Wieso?«
Er zuckte mit den Achseln. »Computer sind auch nur Menschen.« Er bleckte die Zähne. Auch auf seiner Stirn stand Schweiß.
Er machte weitere Versuche. Das Ergebnis war stets dasselbe. Wenn Linda Mitreisende fotografiert hatte, waren lediglich Rauchsäulen zu sehen. Die einzige Ausnahme bildete zwei, dreimal der Kapitän. Er war ebenso deutlich zu erkennen wie Grace oder Brad.
»Warte!« Brad schnellte hoch und nahm seine eigene Kamera aus dem verschließbaren Metallkoffer. In wenigen Sekunden hatte er sich eingeklinkt.
»Sind das die Fotos, die du in den Tempelanlagen gemacht hast?«
»Eine Sekunde.« Es klickte. »Schau nur! Es ist alles normal . Kurze Hosen, T-Shirts und lachende Gesichter. Hunderte Menschen. Kinder. Alte. Junge. Und hier ... Tutenchamuns Grabstätte. Die Verzierungen der Wände. Und hier: Wieder Menschen! Sogar die beiden Männer, die sich beide entschuldigten - siehst du sie? Sie stehen im Hintergrund und unterhalten sich. Und dort, ein Reisebus. Hinter den Fenstern kann man die Touristen sehen. Ja, es ist alles völlig normal.«
»Nur von unserer Reisegruppe ist niemand zu sehen, oder ...?«
»Niemand«, nickte Brad.
»Es hat also etwas mit diesem Schiff zu tun.«
»So unglaublich es ist - ich denke, du hast Recht.« Wieder wechselte er die Kameras. »Schauen wir uns mal unseren Freund mit der Goldmaske an.«
Linda meinte ihr Herz pochen zu hören. Zu intensiv war die Erinnerung. Zu vieles war in den letzten Stunden geschehen. Es war ein Alptraum.
»Da haben wir ihn!« Triumphierend zeigte Brad auf ein Bild, das Lindas Kabine zeigte. Vor dem Fenster schimmerte eine nebelige Kreatur. Der Körper war diffus verschwommen. Die Maske hingegen war deutlich und gestochen scharf. Brad arbeitete wie versessen weiter. Er zauberte ein weiteres Bild auf den Monitor. Jenes, das er vor wenigen Minuten aus der Bar herunter vom
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