Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
Armen an der Tür ab, schleuderte herum und sprang schützend vor Linda. »Erst musst du mit mir fertig werden«, keuchte er.
»Kleiner Wurm. Kleiner mutiger Wurm«, hallte es dumpf unter der Maske hervor. »Es ist wichtig, dass diese Frau freiwillig meinem Ruf folgt. Sephrete wartet! Sephrete!«
Brad sprang zur Seite weg und riss den Kleiderschrank auf. »Wo ist sie?«, rief er gehetzt.
»Was? Was meinst du?«
»Deine Kamera!«
»Meine ... was?«
»DEINE KAMERA! Oder dein Handy, ist mir egal!«
Linda begriff. Brad war Fotoreporter. Er ahnte ebenso wie sie, dass sie zurzeit vor diesem Wesen nichts zu befürchten hatten. Gestern Abend hatte Linda im Speiseraum wie auch später während der Party einige Fotos für ihr Privatarchiv geschossen. Also befand sich die Kamera irgendwo. Eine Chance, die sich ein Profi wie Brad nicht entgehen lassen wollte - nicht durfte!
»Oberstes Fach«, stieß Linda hervor. Sie hätte sich die Worte sparen können. Es war eine vollautomatische digitale Canon mit integriertem Blitz. Es dauerte keine fünfzehn Sekunden und die Kabine wurde von Blitzlichtgewitter erschüttert.
»Was ist das?«, kreischte das Wesen und wich zurück, als fürchte es sich vor dem Blitzlicht.
Brad sprang vor, ging in die Hocke und zog das Objektiv vor seine Augen. Wieder schnellte gleißendes Blitzlicht auf. Einige Male klackte es, ohne das es blitzte. Kein Wunder ... es war ziemlich hell in der Kabine. Dann war es wieder strahlend weiß.
Noch immer hockend krabbelte Brad Schritt für Schritt vor. Dabei reckte er dem Wesen die Kamera entgegen. Linda ahnte, dass er die Belichtung manipulierte, denn obwohl er sich nun genau im Bann des Sonnenlichtes befand, zappte ein Blitz nach dem anderen durch die Kabine. So wie Brad voran krabbelte, schwebte das Maskenwesen von ihm weg.
Liebe Güte - tatsächlich fürchtete es sich vor dem Blitz. Es hob einen Arm vor die schwarzen Löcher der Goldmaske. Wieder sah es so aus, als wolle die Gestalt in sich zusammenfallen, sich dematerialisieren.
Es durfte noch nicht weg! Es musste noch bleiben! Linda zog Brad an der Schulter zurück, um ihn daran zu hindern, das Wesen zu verscheuchen. Verständnislos starrte Brad zu ihr hoch und machte sich frei.
»Wer ist Sephrete?«, schrie Linda. »Sage es mir? Wer ist sie?«
Es war so weit und es war so, wie sie es heute Morgen erlebt hatte. Als habe jemand einen Lichtschalter betätigt, verlosch das Wesen. Von einer Sekunde zur anderen war es nicht mehr da. Es war verschwunden wie ein böser Traum.
10
Sie verschlossen das Fenster und die Kabine und machten sich auf den Weg zur Bar.
Brad war kreidebleich. Auf dem Gang hielt er Linda am Arm fest. Er nahm die Kamera hoch. »Wir werden einen Drink nehmen, dann werfen wir dein Laptop an und gucken, was wir fotografiert haben. Zwar werden wir auf dem Kameradisplay einiges erkennen, aber vermutlich nicht genug. Ich möchte ein großes Bild haben.«
Linda blickte misstrauisch zur Kabinentür. »Dieses Wesen wollte uns nichts tun. Es hatte etwas anderes im Sinn.«
»Es wollte, dass du mit ihm kommst - warum, ist mir schleierhaft.«
»Sephrete ...«, murmelte Linda. »Immer wieder dieser Name. Schon in der Grabkammer hörte ich, wie irgendetwas oder irgendwer zu mir sagte, ich sei erwählt, denn ich sei IHRE Mutter! Wessen Mutter? Ich bin die Mutter von Grace! Was könnte Grace damit zu tun haben? Kannst du dir einen Reim darauf machen?«
»Rational gesehen nicht - aber wenn ich meiner Phantasie freien Lauf lasse. Ich meine ... schließlich habe ich eine ganze Weile sehr gerne Fantasy gelesen, und da kommt so was andauernd vor.«
»Grace«, schnellte es aus Linda.
»Ja.« Brad nickte dumpf.
»Grace könnte SIE sein.«
»Und du bist ihre Mutter. Sagte das Wesen nicht, seine Jünger würden sich um SIE kümmern?«
Lindas Herz machte einen Sprung. »Wo ist Grace?«
»Komm mit.« Brad schulterte die Kamera.
Sie rannten Richtung Bar. Sie durchmaßen den weiten Raum, hin zum Panoramafenster. Von hier oben hatten sie einen wunderbaren Blick auf den Nil und hinunter auf das Promenadendeck. Wie üblich lagen dort faulenzende Reisende. Niemand war im Pool. Die Stühle, die Brad für Linda und Grace freigehalten hatte, waren leer.
Linda wirbelte herum. Ihre Augen waren weit aufgerissen. »Grace ist nicht da.«
Brad schluckte hart. Er stützte sich mit der Handfläche am Fensterglas ab und verrenkte seinen Kopf. »Ich kann sie nirgendwo sehen.«
»WO IST GRACE?« Lindas Stimme
Weitere Kostenlose Bücher