Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
ein herrliches Jagdgebiet. Nach fünfzehn Minuten sind sie von Bäumen und Büschen umgeben.
Emily streckt sich auf ihrem Pferd und atmet die wunderbar frische Luft, als ein Keiler aus dem Gebüsch fegt. Er scheint gedöst zu haben, oder dort ist das Nest seiner Frischlinge. Jedenfalls ist er nervös und wirkt desorientiert.
Sogar die Hunde scheinen erstaunt, offenbar steht der Wind nicht gut, und jaulend und kläffend machen sie sich an die Verfolgung. Gald reißt sein Pferd herum, Emily ihres und Richard ebenfalls. Der Keiler, ein gigantisches Tier, schwarz, manneslang, mit zwei mächtigen Hauern, rast durch den Wald, den Schädel gesenkt. Seine Geschwindigkeit ist immens und es kracht, während unter ihm Äste und Holz brechen. Die Hunde bellen und nehmen ihn von zwei Seiten in die Zange.
Emily legt an, reitet freihändig und sieht sich gleichzeitig vor, nicht von einem überhängenden Ast gefällt zu werden. Clifford Gald lacht rau und männlich und versucht, dem Keiler den Weg abzuschneiden. Sie verliert Richard für einen Moment aus den Augen.
Sie sucht ihn und büßt für einen Moment die Kontrolle über ihren Wallach ein, der unversehens innehält, da ihn eine Pfütze, deren Tiefe er nicht abschätzt, irritiert, und als sie versucht, sich im Sattel zu halten, steigt er und wirft sie ab. Sie lässt sich zur Seite rollen, behält den Bogen in der Hand, ihr Kleid wickelt sich um ihre Beine, Äste bohren sich in ihren Rücken, das Pferd schnaubt aufgeregt und geht durch.
Es kracht im Unterholz, und die Hunde heulen wie am Spieß. Dann wieder Bellen und erneutes Heulen.
» Die Hunde! « , brüllt Gald. » Meine Hunde! «
Richard ist heran, sein Pferd tänzelt. Gald verhält in einiger Entfernung, die Flinte im Anschlag.
Der Keiler bricht aus dem Holz, und bevor Emily einen klaren Gedanken fassen kann, steht er vor ihr, den Schädel gesenkt, mit den Vorderhufen scharrend, abgehetzt und angriffslustig. An seinen Hauern hängen blutige Fetzen.
» Heeey! « , schreit Richard, dessen Brauner immer nervöser wird und sich auf der Stelle dreht.
» Aus dem Weg, verdammt! « , brüllt Gald, denn Richard ist in seiner Schusslinie.
Richard versucht, seinen Gaul unter Kontrolle zu bringen, während der Keiler Emily genau in die Augen starrt. Nach hinten will er nicht, rechts von ihm ist Richard, vor ihm Emily. Irgendwo sind die Hunde, falls sie noch leben, was unwahrscheinlich ist. Das Tier hat nur noch eine Gelegenheit zur Flucht, und die scheint es derzeit nicht zu sehen. Vielleicht erkennt der Keiler auch die Kämpferin in Emily, denn er visiert sie an und wird sie angreifen.
Sie tastet nach ihrem Bogen, nimmt ihn hoch, und der Keiler rennt los. Emily wirft den Bogen weg und rollt der Kreatur aus dem Weg. Kleiderstoff reißt, und etwas Scharfes huscht über ihr Gesicht. Blut rinnt ihr über die Lippen. Richards Gaul galoppiert los, während er verzweifelt versucht, ihn zu zügeln. Alles ist durcheinander.
So etwas kann geschehen und erst hier zeigt sich das Jagdkönnen einer Gruppe.
Der Keiler verhält, dreht sich erstaunlich geschickt um die eigene Achse, und anstatt zu fliehen, nimmt er Emily erneut aufs Korn. Er schüttelt den mächtigen Schädel, sein borstiges Fell steht ihm vom Kragen ab, und die Äugelein glitzern todesverachtend.
Der Keiler setzt sich in Bewegung. Emilys Verstand rast. Wohin soll sie? Sie ist unbewaffnet, das Kleid behindert ihre Bewegungen - sie hätte Lederhosen anziehen sollen - Richard kämpft mit seinem Pferd, und im selben Moment springt dem Keiler ein Schatten in den Weg.
Emily schreit auf und lässt sich fallen.
Der Keiler grunzt und keucht.
Clifford Gald ist im weiten Sprung vom Pferd, das an ihnen vorbeirast und auf der Stelle wendet. Er rollt sich ab, die Waffe noch immer im Anschlag. Sein dunkler Körper baut sich zwischen dem Keiler und Emily auf, wie eine mächtige Mauer. Der Keiler kreischt und will fliehen, versucht, an Gald vorbeizukommen, wobei er in seiner Verzweiflung direkt auf den Mann zuläuft und ihn umrennt, weiter in Richtung Emily.
Emily erkennt, dass es keinen Ausweg mehr gibt.
Clifford wirbelt noch im Fallen herum, die Flinte rutscht aus seinen Fingern. Er greift nach einem Hinterbein des Tieres, bekommt es zu fassen, und während er endgültig zu Boden fällt, zieht er das Tier zu sich heran, weg von Emily. Die Zähne des Keilers krachen aufeinander in die Luft, knapp vor ihrem Gesicht. Er quiekt, als führe man ihn zur Schlachtbank, windet sich in
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