Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
Vom Netzwerk:
nicht«, sagte Gallagher.
    Andie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht zulassen, dass du noch mehr in die Sache verwickelt wirst.«
    Er deutete auf seine Beine. »Ich bin zweimal von diesem Schwein verwundet worden. Das ist inzwischen eine persönliche Sache für mich geworden.«
    »Aber –«
    »Kein Aber. Ich geb genauso wenig auf wie du.«
    Ihre Finger gruben sich in das Webmuster ihres Pullovers aus irischer Wolle. Sie schlenderte zum Erkerfenster hinüber und sah hinaus. Es war fast vier Uhr nachmittags. Trotz der langen Kälteperiode war der Rasen um einige Zentimeter gewachsen, seit Gallagher nach Lawton gekommen war. Amseln mit roten Flügeln sangen im Schilf des Lilienteiches. Die rostroten Hülsen der Ahornknospen bedeckten die fette, schwarze Erde ihres umgegrabenen Gemüsegartenstücks. An den Bäumen waren die zarten Spitzen der ersten Blätter des Jahres zu erkennen. Doch hielt der Winter immer noch die oberen zwei Drittel des Lawton Mountain umfangen.
    »Es wird bald Zeit sein, das Gemüse zu pflanzen«, bemerkte sie.
    Gallagher trat neben sie und schaute hinaus. »Warum beschäftigst du dich so gern mit Pflanzen?«
    »Ich nehme an, das ist meine Art, mit einer höheren Macht in Kontakt zu treten«, sagte sie. »Meine Art, mich zu binden, so dass ich die harten Zeiten durchstehen kann.«
    »Dann glaubst du also an Gott?«
    Andie wandte sich um und sah ihn mit leicht gerunzelter Stirn an. »An eine höhere Macht zu glauben ist die einzige Art, wieder auf die Beine zu kommen.«
    »Ich bin nicht gläubig«, sagte er.
    »Das weiß ich«, antwortete sie mit einer Spur Traurigkeit in der Stimme, und Gallagher wurde auf einmal klar, dass es ihm guttat, die weite Spanne von Gefühlen zu erleben, die sie zeigte. Andie war das lebendigste Wesen, das er je kennengelernt hatte.
    Bevor er ihr das mitteilen konnte, sagte sie: »Ich schulde dir Dank.« »Wofür?«
    »Na, zunächst mal, weil du mich aus dem brennenden Haus gerettet hast«, antwortete sie. »Und dann hast du mich gegen Bowman und Kerris unterstützt. So was hat seit langem niemand mehr für mich getan. Niemand hat sich darum geschert.«
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Er erstarrte. Enttäuschung flackerte in ihrem Gesicht auf; dann verhärtete sich ihr Ausdruck, und sie wandte sich ab. »Es ist, weil ich trinke, nicht?«
    Gallaghers Kehle war wie zugeschnürt. »Nein, ich …«
    »Willst du wissen, warum ich getrunken habe, die ganze Geschichte? Ich habe noch nie jemandem die ganze Geschichte erzählt.«
    »Warum solltest du sie mir erzählen?«
    »Du hast doch gesagt, dass wir uns ähnlich sind. Ich dachte, du würdest mich vielleicht verstehen.«
    Gallagher verspürte den Drang, hinauszugehen und ein Stück zu laufen, um bloß nichts zu hören. Aber der verletzte Ausdruck auf ihrem Gesicht hielt ihn zurück. »Ich will es hören.«
    Andie erzählte, dass die Farm ihrer Eltern, einst eine der bestbewirtschafteten in der ganzen Gegend, während des Abstiegs ihres Vaters nach dem Tode ihres Bruders immer mehr herunterkam. Ihre Eltern stritten sich. Andie war ein einsames, kleines Mädchen; ihre besten Freundinnen waren ihre Mutter und Olga Dawson.
    Doch in dem Sommer zwischen ihrem fünfzehnten und sechzehnten Lebensjahr verwandelte die Natur das unbeholfene, schüchterne Mädchen in eine große, wohlproportionierte, hübsche junge Frau. Zum ersten Mal in ihrem Leben interessierten sich die Jungen für sie.
    Kurz vor dem Ende ihres zweiten Highschooljahres lernte sie Mike Kerris kennen: Student im ersten Semester an der University of Vermont. Er sah gut aus und war durch seine Mutter mit den Powells, der reichsten und mächtigsten Familie von Lawton, verwandt. Kerris war auch ein Senkrechtstarter in der Football- und der Skisportmannschaft der Universität.
    Das erste Mal sah sie ihn bei einer Party Anfang Juni, um die Zeit der Schulabschlussfeier. Kerris überreichte ihr ihren ersten Drink: Wodka mit Orangensaft. Der Alkohol ließ alles licht und warm erscheinen, und er küsste sie, bevor er sie zu Hause absetzte. Kerris ging für einen Teil der Sommerferien fort, und als er zurückkehrte, trafen sie sich ein zweites Mal bei einer Party. Sie betrank sich, und er sagte ihr, dass er sie liebe. Ihr Leben zu Hause war traurig, und hier bot sich ein strahlender Neubeginn. Sie sagte Kerris, dass sie ihn auch liebe.
    »Als ich am nächsten Morgen erwachte, stellte ich fest, dass ich nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher