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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Fäuste und trommelte gegen seine Brust.
    »Reg dich nicht auf«, sagte er beruhigend. »Es sind nur deine Hormone, die verrückt spielen.«
    »Nein, das ist nicht wahr!«
    Gallagher schüttelte den Kopf, weil er nicht glauben konnte, wie falsch alles gelaufen war. »Sieh es doch einfach so«, beschwichtigte er. »Es ist jetzt da, wo es schöner ist.«
    Emily schlug ihm ins Gesicht. »Du widerlicher Heuchler!«
    Plötzlich tauchte Andie an Emilys Seite auf. Sie wiegte eine Whiskeyflasche wie ein Neugeborenes in ihren Armen. Dann kam der Nebel wieder, und Gallagher befand sich auf einem Fluss. Hohe, nasse Felsen ragten am gegenüberliegenden Ufer auf.
    Zwischen den Felsen trat eine elektrisch leuchtende, pointillistische Version des kleinen Mädchens von der Fotografie mit Ten Trees hervor. Many Horses hob ihre Arme Gallagher entgegen, und als sie das tat, fuhren bunte Lichtbögen durch die Luft. Das Licht blendete ihn, und er rief verzweifelt aus: »Was willst du von mir?«
    »Ich will, dass du mich freilässt«, sagte sie.
    »Aber ich halte dich doch gar nicht fest.«
    »Natürlich tust du das«, antwortete Many Horses. »Ich bin weder vom Feuer noch vom Wasser, noch von der Erde verschlungen worden, sondern von Menschen.«
    Sie sah Gallagher lange unverwandt an, als wäre er ein unwissendes Kind, dann verschwand sie wieder zwischen den Felsen.

26
    Die öffentliche Bücherei von Cartersburg war ein imposantes Gebäude aus rotem Backstein mit weißen Dekors und einer runden Glaskuppel, unter der sich die Ausgabetheke befand, die von Zwillingsschwestern Ende zwanzig, mit strähnig glattem Haar, bleicher Haut und wässrigen, ovalen Augen bedient wurde.
    Die Zwillinge näselten in fast perfekten Synkopen. Ihre Wimperntusche verlief auf den bleichen Wangen wie die Fäden eines Spinnennetzes. Die mit dem grünen Henley-Hemd hieß Danielle Carbone. Sie bekam einen Schluckauf, sobald Nyrens Name erwähnt wurde. Ihre Schwester Rachel, die einen schwarzen Pullover trug, atmete pfeifend.
    »Können Sie uns sagen, in welchem psychischen Zustand Mr. Nyren sich befand?«, fragte Andie.
    »Psychischen Zustand?«, näselte Danielle.
    »Na, Sie wissen schon, ob er glücklich, traurig, aufgeregt war oder so?«
    »O Gott, das weiß ich auch nicht«, schnaufte Rachel. »Er – David, meine ich –, er war sehr professionell.«
    »Aber dabei reizend«, sagte Danielle, bevor sie wieder ihren Schluckauf bekam und sich die Nase putzte. »Einer von denen, die sich mit Büchern wohler fühlen als mit Menschen. Halt ein richtiger Bibliothekar, verstehen Sie?«
    »Verstehe«, meinte Gallagher. »Sie sagten, er habe hier noch spät fotokopiert. War das ungewöhnlich?«
    »Dass er kopierte?«, fragte Danielle.
    »Oder dass er spät hier war?«, echote Rachel.
    »Beides. Oder eins von beidem«, sagte Andie und biss die Zähne zusammen. Es hätte jeden in Rage gebracht, mit den beiden zu reden. Aber es war ihre Idee gewesen, die Bibliothek zu besuchen. Sie wollte mit Nyrens Mitarbeitern reden, den Menschen, die ihn vermutlich am besten gekannt hatten, bevor es Lieutenant Bowmans Leute taten.
    »Er kopierte immer irgendetwas«, sagte Rachel. »Und ob er bis spät gearbeitet hat? Manchmal, wie das alle tun.«
    »Wo hatte er denn seinen Arbeitsplatz?«, fragte Andie. Die Zwillingsschwestern führten sie durch den Lesesaal und einen dunklen Flur zu Nyrens Büro. Es war ein zweckmäßig eingerichteter Raum mit hohen, weißgestrichenen Regalen, die vollgestopft waren mit wohlgeordneten Büchern und Stapeln von Zeitungen und Zeitschriften. In einer Ecke stand eine teure Kopiermaschine.
    »Was hat er wohl am Samstagabend noch kopiert?«, fragte Gallagher.
    Danielle zuckte die Achseln. »O Gott, das weiß ich auch nicht. Wir sind um sechs nach Hause gegangen. Manchmal blieb er den ganzen Samstagabend hier und arbeitete.«
    Andie zog an der mittleren Schreibtischschublade. Sie war voller Lineale, Kugelschreiber, Büroklammern und Blocks mit gelben selbstklebenden Notizzetteln. Das einzige Seitenfach ließ sich nur schwer aufziehen, es war von vorne bis hinten mit überquellenden Hängemappen gefüllt. Andie glitt mit den Fingern über die säuberlich beschrifteten Etiketten und bemerkte eine Akte über den kürzlichen Fund des Wracks von Benedict Arnolds vermisstem Kriegsschiff aus der Schlacht von Valcour Island auf dem Grunde des Champlain-Sees; und eine weitere Akte über die Geschichte der Abenaki-Stammessiedlungen am Lauf des Clyde River im

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