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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Seite und blätterte dann rasch den Mappeninhalt durch, bevor sie Gallagher mit strahlendem Lächeln ansah: »Sind obsessive Zwangscharaktere nicht etwas Herrliches?!«

27
    Eine halbe Stunde später sah Gallagher von der Mappe auf. »Hast du hiervon nie etwas gehört?«
    »Kein Wort«, antwortete Andie betroffen. »Ich kann gar nicht glauben, dass das all die Jahre über geheim gehalten wurde.«
    Die Mappe enthielt eine Zusammenfassung der Recherchen des ermordeten Bibliothekars über die Sterberaten und die Raten der Geisteskrankheiten in Lawton kurz nach der Jahrhundertwende. Außerdem waren da mehrere Blätter mit Notizen; darin beschrieb Nyren, wie er den Lederbeutel von seinem Vater erhalten hatte, und spekulierte darüber, ob er mit jenen Raten zu tun hatte; und Andie und Gallagher fanden zu ihrer großen Überraschung und Freude eine Fotokopie des Teils von Sarah Many Horses’ Tagebuch, der sich im Besitz des Bibliothekars befunden hatte.
    Nyrens Vater, der an Diabetes litt, hatte seinem Sohn eine Woche vor seinem Tode erzählt, dass Sarah Many Horses tatsächlich in Lawton ermordet worden war und dass die Umstände dieses Mordes schrecklich gewesen seien. Sein Vater berichtete auch, dass die Verwandten der Personen, die sich jetzt im Besitz des Tagebuchs befanden, geholfen hätten, den Mord an Sarah Many Horses zu rächen, obwohl er nicht sagte, auf welche Weise. Wie Andie, so hatte auch Nyren versucht, mehr Informationen über das Tagebuch zu bekommen, es war ihm jedoch kein Erfolg dabei beschieden gewesen, und so hatte er seine Bemühungen Jahre zuvor aufgegeben.
    Sechs Monate vor seinem Tod war der Bibliothekar bei den Nachforschungen über ein völlig anderes Thema in Montpelier jedoch auf einen spärlich belegten Bericht der Gesundheitsbehörde des Bundesstaates Vermont aus dem Jahre 1910 gestoßen, in dem auf eine unerklärliche Häufung von Selbstmorden und Tötungsdelikten in der Stadt Lawton in einem Zeitraum von neun Jahren um die Jahrhundertwende hingewiesen wurde.
    Nyrens anschließende Recherchen hatten nicht nur den Bericht über das anormale Auftreten von Selbsttötungen und Morden bestätigt, sondern auch aufgedeckt, dass in demselben Zeitraum von neun Jahren eine außergewöhnlich hohe Zahl von Bürgern aus Lawton in die »Vermonter Anstalt für Geisteskranke« in Brattleboro oder die staatliche Nervenklinik von Vermont in Waterbury eingewiesen worden war.
    Die letzte Seite von Nyrens Aufzeichnungen bestand aus einer Namenliste. Hinter jedem Namen war in Klammern angegeben, ob die betreffende Person wahnsinnig geworden war, Selbstmord begangen oder mit einem brutalen Mord zu tun gehabt hatte. Andie deutete auf den zwölften Namen von oben und stieß einen leisen Pfiff aus: »Das ist Lamont Powell, der Kerl, nach dem die Klinik benannt wurde. Er ist der Urgroßvater des jetzigen Bürgermeisters. Mike Kerris’ Ururgroßvater.«
    »Bist du sicher?«
    »Absolut!« Ihre Augen blitzten entschlossen und angriffslustig. »Lamont Powell war um die Jahrhundertwende Bürgermeister von Lawton. Die Verwandtschaft mit ihm wurde ganz groß rausgebracht, als Bruce Powell vor fünfzehn Jahren zum Bürgermeister gewählt wurde. Damit stellte seine Familie, angefangen bei Lamont Powell, schon in der vierten Generation den Bürgermeister der Stadt.«
    Gallagher erinnerte sich daran, wie sich der Polizeichef von Lawton vor Nyrens Haus den Brief des Mörders angesehen hatte. »Kerris sah es überhaupt nicht gern, dass du hinter dem Tagebuch her warst, stimmt’s? Und er war verdammt schnell am Tatort.«
    Andie nickte, und ihre Hände bewegten sich unruhig.
    »Du hast Angst vor ihnen«, sagte Gallagher.
    »Das kannst du laut sagen, dass ich Angst vor ihnen habe!«, sagte sie barsch. »Ich weiß einfach zu gut, wozu sie fähig sind.«
    »Was sollen wir also machen?«
    »Erst mal werden wir Nyrens Teil von Many Horses’ Tagebuch lesen«, antwortete sie.
    »Und sehen, ob wir Lamont Powell darin finden?«
    »Unter anderen.«
    September 1891
    Als es Juni wurde, war das Pferd tot, aber ich hatte es bis Iowa geschafft. Die heiße Luft über der staubigen Straße sah aus, wie wenn die Sonne über dem Wasser flirrt. Die Felder glänzten sattgrün vom reifen Mais. Es war später Nachmittag, und ich verspürte großen Hunger. In den letzten drei Tagen hatte ich nur vier Eier gegessen, die ich aus Hühnerställen stahl, aufschlug und aussaugte, das Eigelb sah aus wie flüssiges Gold.
    Als die Sonne tiefer sank, suchte ich

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