Mystic
hinüber, um Mr. und Mrs. Small zu sehen, die Zwerge, die einen richtig tollen Kampf mit der längsten Schlange der Welt aufführen.
Mr. Cosotino stammt aus Italien. Er lässt zehn Männer auf seinem Bauch stehen. Und er hebt schwere Eisenstücke an einer Stange bis hoch über seinen Kopf. Seine Frau Isabella bringt die weißen Pferde, die die Wagen ziehen, dazu, in einer Reihe zu stehen und auf den Hinterbeinen zu gehen. Isabella hat den Rock und die Weste aus Hirschleder gemacht, die ich bei meinem Tanz trage.
Zwischen den beiden Zelten hat Joshua einen Stand aufgebaut, an dem er sein Wunderelixier verkauft. Caleb sagt, es bestehe nur aus Maisschnaps und aus etwas, das von Kakaopflanzen aus einer Gegend namens Kolumbien stammt. Joshua hat eine Mixtur erfunden, von der zwei Esslöffel voll die Seele wie einen Adler über dem Grand River fliegen lassen. An jenem ersten Abend drängten sich die Männer auf den Bänken. Und ich war so verängstigt, dass ich ein bisschen von dem Elixier trinken musste, bevor ich auf die Bühne hinausging. Als das Klavier zu spielen begann, fingen die Männer alle an zu johlen und zu schreien. Mir wurde schwindlig, und dann hatten die Männer auf einmal das gleiche Gesicht wie der Soldat mit den schwarzen Zähnen. Sie riefen mir zu, ich solle mein Hemd ausziehen, und so tat ich es gleich und rannte von der Bühne weg wie ein erschrecktes Reh.
Joshua war fürchterlich böse auf mich. Caleb wollte sich zwischen uns stellen und mir sagen, es sei alles in Ordnung, doch sein Bruder schlug ihm ins Gesicht und befahl ihm, er solle sich für seinen Auftritt fertigmachen.
Joshua sagte, ich müsse die Männer quälen, ihnen das Gefühl geben, sie hielten es nicht mehr aus, bis ich mein Hemd ausziehe. Joshua sagte, so mache man das eben. Es ist wie Geschichten erzählen. Die Zuhörer meinen, sie wollen das Ende sofort hören. Aber das ist nicht so. Sie wollen das Ende hören, wenn sie es nicht mehr aushalten können. Er hieß mich mitzukommen und mir Calebs Show anzusehen, damit ich lernte, wie es ging.
Caleb sitzt in einer Kiste auf der Bühne. Bevor das Licht ausgeht, erzählt Joshua die Geschichte von Caleb und ihm, als sie noch Jungen waren in einer Gegend, die Vermont heißt. Er sagt, die Ururgroßmutter ihrer Mutter sei eine der Hexen von Salem unten in Massachusetts gewesen, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden.
Joshua erzählt den Leuten im Zelt, er und Caleb hätten ihre Kräfte von dieser Ururgroßmutter ihrer Mutter bekommen. Als sie noch Babys waren, sah man an ihren Wiegen Geister. Als sie zur Schule gingen, flogen Bleistifte durch die Luft, und Fenster öffneten sich von selbst. Joshua krempelt sich und Caleb die Hemdsärmel auf und zeigt den Zuschauern ein paar Narben auf ihren Armen. Joshuas Vater verbrannte ihn und seinen Bruder Caleb mit einem Feuerhaken, um die Geister aus ihren Körpern zu vertreiben. Dann sagt Joshua, Caleb werde jetzt ein paar Geister herbeirufen.
Die Lichter gehen aus. Joshua verfrachtet Caleb in eine Holzkiste. Er schließt die Augen und legt seine Hände auf die Kiste. Er sagt, er helfe Caleb, sich in seine Geistertrance zu versetzen. Kurz darauf kommt ein wunderschön angezogener Mann mit einem weißen Tuch auf dem Kopf, das wie ein Hornissennest geschlungen ist, aus der Kiste gesprungen, und die Leute werden ganz unruhig. Er sagt, er sei ein Geist aus Indien und heiße Mamuhd. Er spielt auf einer Flöte.
Ich musste mir die Show ungefähr zehnmal aus der Nähe ansehen, bis ich merkte, dass Mamuhd niemand anders ist als Dimitri. Doch die meisten Leute sind aufgeregt und haben Dimitri nie zuvor gesehen, und so sehen sie nicht genau hin. Dann steigt Dimitris Frau, Maura, aus der Kiste. Sie ist angezogen wie eine Frau, die in der Schlacht von Gettysburg im Großen Bürgerkrieg die Verwundeten versorgte und dabei ums Leben kam. Alle mögen sie. An manchen Abenden kommen fünf Geister aus Calebs Kiste.
Es ist seltsam, doch fast alle wollen glauben, was sie in Joshuas Show sehen. Er hat so eine Art, die Leute das glauben zu machen, was sie glauben sollen.
Meine Aufgabe ist, sagt Joshua, die Männer davon zu überzeugen, ich sei Sitting Bulls Tochter. Ich trank noch ein bisschen von dem Elixier und ging dann auf die Bühne hinaus, als hasste ich die Männer, was mir nicht schwerfiel. Ich sah sie an, als wollte ich sie töten. Das machte sie ganz verrückt. Dann sah ich sie an, als wollte ich sie ganz langsam töten. Und es war, wie Joshua
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