Mystic
gesagt hatte: Ich sah auf ihren Lippen und in ihren Augen, dass sie es nicht länger aushalten konnten, und als ich mein Hemd auszog, riefen sie laut und näherten sich der Bühne. Caleb und Joshua und Dimitri mussten dafür sorgen, dass ich heil wieder herunterkam.
Joshua hob mich hoch und gab mir einen Kuss und meinte, ich sei ein Naturtalent.
Da war das Schlimmste vorüber. Ich tanze nun seit vier Monaten im Zelt. Wenn ich auf die Bühne hinausgehe, dann ist es, als wäre ich jemand anderes. Sitting Bulls gefährliche Tochter und nicht Many Horses. Wenn ich daran denke, wie ich mit Painted Horses zwischen den Pappeln am Grand River den Geistertanz tanzte, höre ich die Männer gar nicht mehr rufen.
Außer vorgestern Abend.
Ich war gerade dabei, mein Hemd auszuziehen, als ein Mann mit einer Bibel in der Hand, genau wie die, aus der uns Miss Mary Parker immer vorlas, durch den Zelteingang kam und die Männer anschrie und fragte, ob denn ihre Frauen wüssten, dass sie hier drin seien und sich eine nackte Wilde ansähen. Die Männer hörten mit ihrem Gejohle auf und benahmen sich wie geprügelte Hunde.
Cosotino sagte zu Joshua, wir sollten lieber unsere Zelte abbauen und uns aus dem Staube machen, bevor wir richtig Ärger bekämen. Aber Joshua war in einer entsetzlichen Stimmung. An jenem Morgen hatte er einen Brief bekommen, und er und Caleb hatten den ganzen Nachmittag in ihrem Wagen gesessen und palavert. Joshua mag es nicht, wenn man ihm sagt, was er tun soll. Er antwortete Cosotino, die Leute hätten dafür bezahlt, um zu sehen, wie er und Caleb die Geister herbeirufen, und er wolle ihnen das Geld nicht zurückgeben. Er meinte, er brauche das Geld jetzt dringend.
Also fingen er und Caleb mit ihrer Nummer an. Als Joshua gerade dabei war, seine Hände auf die Geisterkiste zu legen, kam der Pastor wieder ins Zelt, diesmal mit der Hälfte der Männer, die eine Stunde zuvor gejohlt hatten, als sie mich nackt sahen. Er nannte Joshua einen Gotteslästerer. Joshua begann zurückzuschreien, und im nächsten Augenblick kamen der Pastor und seine Leute schon auf die Bühne. Joshua machte einen Satz wie ein Pferd, das von einer Schlange gebissen wurde. Dimitri auch. Caleb saß gefangen in der Kiste.
Ich versteckte mich im Gebüsch und sah zu, wie die Menge Caleb herausschleifte und ihm die Kleider auszog. Sie bestrichen seinen Körper mit Teer, rissen dann ein paar Kissen auf und schüttelten die Federn über ihm aus. Sie banden seine Hand- und Fußgelenke an einen Pfahl und trugen ihn in die Stadt hinein, so wie in Standing Rock die Männer tote Antilopen schleppten. So trugen sie Caleb fast eine Stunde umher, beschimpften ihn und traten ihn mit Füßen und hatten so richtig ihren Spaß dabei. Dann warfen sie ihn auf einen Misthaufen neben einem Stall an der Straße nach Rosedale. Ich wartete, bis ihre Stimmen nicht mehr zu hören waren, und ging dann zu ihm.
Caleb stammelte unverständliches Zeug. Ich sagte ihm, er solle keine Angst mehr haben, er käme schon wieder in Ordnung, sobald ich ihm die Stricke abgenommen hätte. Ich stahl ein bisschen Kerosin und ein paar Lumpen aus dem Kuhstall und befreite ihn, so gut ich konnte, von dem Teer und den Federn. Caleb sagte kein Wort, während ich ihn reinigte. Im Mondlicht starrte er mich nur an mit seinen rosaroten Augen. Das war nicht so wie bei dem Soldaten mit den schwarzen Zähnen. Ich glaube nicht, dass Caleb so denkt. Aber es gab mir trotzdem ein mulmiges Gefühl, und ich sagte ihm, er solle damit aufhören.
Du bist aber sehr nett zu mir für eine Indianerin, sagte er, und seine Wangen bewegten sich wie bei einem Pferd, das die Fliegen plagen. Er fragte mich, ob er mir ein Geheimnis erzählen könne, und ich sagte okay. Da sagte Caleb, seine Narben wären echt. Sein Vater quälte Frau und Kinder immer. Am Tag als Joshua sechzehn wurde, schoss er Calebs Vater in den Hinterkopf, während er schlief. Irgendwie war Calebs Mutter froh darüber, aber sie hatte Angst, jemand würde herausfinden, was geschehen war, und deshalb schickte sie Joshua und Caleb mit einer reisenden Show weg, die durch Lawton kam.
Seither sind wir hier draußen unterwegs, sagte Caleb. Fünfzehn Jahre. Stell dir das mal vor.
Caleb sah zum Mond hinauf und fing wieder an zu schniefen. Er sagte, Joshua hätte am Morgen einen Brief bekommen, in dem stand, dass ihre Mutter gestorben war.
Ich ging los und stahl eine Pferdedecke, die ich in dem Stall gesehen hatte, und wir machten uns auf den Weg
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