Mythica 06 - Goettin des Sieges
klang wie Löwengebrüll.
»Achilles, mein Freund, lass uns ins Lager zurückkehren und die Totenspiele für deinen Cousin vorbereiten«, sagte Odysseus und trat zwischen den König und den Krieger.
»Hör auf Odysseus, Achilles. Ich werde veranlassen, dass die Spiele zehn Tage zu seiner Ehre stattfinden und dass in dieser Zeit kein Grieche in den Kampf zieht«, sagte Agamemnon übertrieben beflissen. »Wir müssen nur warten, bis die Schlacht für heute ein Ende gefunden hat. Viele Myrmidonen kämpfen noch mit Hektor. Seit er Patroklos niedergestreckt hat, ficht er wie ein Besessener«, endete Agamemnon und genoss die Ironie des letzten Wortes.
Odysseus packte den König am Arm. »Genug, Agamemnon. Ihr wisst, die Myrmidonen sind nur …«
Agamemnon befreite sich aus Odysseus’ Griff. »Was erdreistest du dich, Ithaka!« Doch dann weiteten sich seine Augen, und er taumelte ein paar Schritte zurück.
Auch Odysseus wirbelte herum und rief: »Achilles, nein!«
Aber es war zu spät. Achilles’ Augen begannen bereits blutrot zu glühen. »Sag ihr, der Traum ist vorbei. Sie soll in ihre Heimat zurückkehren. Bitte sie, mir zu verzeihen.« Seine Stimme vertiefte sich schon zum gutturalen Knurren des nicht-menschlichen Wesens. Dann hob er die Arme zum Himmel empor, stieß ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus, und der Zorn fuhr in seinen Körper.
Immer weiter wich Agamemnon vor dem zurück, was einmal Achilles gewesen war. Diese Besessenheit war anders. Achilles’ Körper wuchs mit absurd aufgeblähten Muskeln. Die ohnehin schon grotesken Narben griffen auf die gesamte Haut über, so dass es aussah, als wäre er aus Wunden zusammengesetzt – umgrenzt von Schmerz. Fast alles Menschliche verschwand aus seinem Gesicht, und darüber legte sich die Grimasse einer Bestie, monströs, unmenschlich, eine Kreatur, die nichts anderes kannte als Wut und Schmerz und Blutdurst. Doch obwohl Agamemnon Angst hatte, musste er einen Triumphschrei unterdrücken. Bis zu diesem Moment hatte Achilles den Berserker niedergerungen. Er hatte um einen Rest Menschlichkeit gekämpft, damit er den Weg zurück zu sich selbst würde finden können.
Aber diesmal hatte Achilles nicht die Absicht, zurückzukehren.
Was Agamemnon vor sich sah, war die vollkommene Vernichtung eines Mannes, die Zerschlagung seiner Seele. Obwohl Achilles noch irgendwo in dieser schauderhaften Hülle stecken mochte, hatte er aufgegeben und sein Schicksal endlich angenommen.
Mit einem weiteren furchtbaren Gebrüll rannte das Ungeheuer davon, hin zu den Mauern von Troja.
Und Agamemnon stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Dann fühlte er Odysseus’ Blick auf sich ruhen und sah den König von Ithaka ausdrucklos an. »Ich habe ihm einen Gefallen getan. Jetzt braucht er nicht mehr zu kämpfen, und aufgrund dessen, was er jetzt vorhat, wird man sich ohne jeden Zweifel noch viele Jahrhunderte an seinen Namen erinnern.« Dieses Puzzleteil war zwar entnervend, aber unvermeidlich , fügte Agamemnon im Stillen hinzu.
»Ihr habt ihn absichtlich geködert.«
»Er hat sich schon vor langer Zeit für den Ruhm entschieden, ich habe ihm nur seinen Wunsch erfüllt.«
Odysseus’ scharfer Blick ruhte weiter auf dem alternden König. »Ihr habt gelogen.«
Agamemnon zuckte mit einer Schulter. »Aber nein. Patroklos ist nicht mehr in dieser Welt, die Myrmidonen sind auf dem Schlachtfeld, und Hektor ist sicher ebenfalls dort zu finden.«
Kopfschüttelnd und voller Abscheu, musterte Odysseus den griechischen König, als Kat über eine Düne gestolpert kam und auf sie zustürzte.
»Achilles!«, stieß sie atemlos hervor. »Wo ist er?«
»Er umarmt endlich sein Schicksal – anstelle von dir, Prinzessin«, antwortete Agamemnon mit einem sarkastischen Grinsen.
»Was hast du getan, du alter Mistkerl?«, fragte sie empört.
»Wage es nicht, so mit mir zu sprechen!«
»Ach, du kannst mich mal!«, schrie Kat und trat dicht vor ihn, was Agamemnon so schockierte, dass er tatsächlich einen Schritt zurücktrat. Sie musterte ihn verächtlich, drehte ihm dann den Rücken zu und wandte sich an Odysseus. »Was ist passiert?«
»Achilles weiß, dass Patroklos tot ist. Der Berserker hat ihn ganz in Besitz genommen, und er will Hektor töten«, erklärte Odysseus.
Kat hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, in ihren Ohren dröhnte ein bizarres Summen. »Nein … nein, er ist nicht tot«, sagte sie.
»Aber er wird es bald sein, sein Tod ist nicht aufzuhalten. Das
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