Mythica 06 - Goettin des Sieges
dünner Tentakel, der aussah wie ein von einer durchsichtigen Membran umhüllter Rattenschwanz.
Mit einem Aufschrei wollte Kat weiterlaufen, aber ihr Bein war vollkommen nutzlos, und sie fiel auf die Knie.
Im tieferen Wasser vor ihr wimmelte es von Tentakeln und leuchtenden, blinden Körpern, die sie immer dichter umzingelten.
Ein weiterer Tentakel schoss auf sie zu. Kat duckte sich und versuchte, sich nach hinten zu werfen, aber der andere Fangarm hatte ihren Knöchel noch immer fest im Griff und zog sie langsam, aber sicher ins tiefere Wasser zu dem Schwarm.
»O Gott! Hilfe!«, schrie Kat. »Achilles!« Wo, verdammt, war ihr Ritter in schimmernder Rüstung? Wo war ihr Held? Sie schaffte es, ein paar Zentimeter weit zurückzuweichen, aber da schnappte auch schon ein weiterer Tentakel nach ihrem anderen Knöchel und versetzte ihr einen schmerzhaften Stich, der sie noch schneller betäubte als der erste.
Verdammte Scheiße! Diese ekelhaften Dinger waren dabei, sie ins Wasser zu zerren und zu ertränken! Sie würde in dieser antiken Welt genauso sicher sterben wie bei dem Unfall, als Venus …
Venus! Mit einem erleichterten Schluchzen griff Kat nach dem Amulett und riss es auf. »Venus! Die bringen mich um! Hilfe!«
Im nächsten Moment packte ein Tentakel ihr Handgelenk, und Kat schrie erneut auf vor Schmerz. Ihre Hand wurde taub, dann ihr Arm. Kat ließ das offene Amulett fallen, vergrub die andere Hand im Sand hinter sich und versuchte, sich dort festzukrallen. Bitte Venus, bitte beeile dich …
Achilles war tatsächlich dabei, mit seinen Männern zu exerzieren – am entgegengesetzten Ende des Strandes. Gerade hatte er sich den Schweiß von der Stirn gewischt, als die Göttin sich in einer glitzernden Rauchwolke materialisierte. Einer der jüngsten Myrmidonen fiel sofort vor ihr auf die Knie.
»Venus! Große Göttin! Ihr habt meine Gebete erhört.«
»Selbstverständlich, Schätzchen. Versuche, ihr zu sagen, was du für sie empfindest, statt Trübsal zu blasen«, sagte sie schnell. Dann wandte sie sich an Achilles und schlug ihren Umhang zurück. »Du musst mit mir kommen.«
Verblüfft blinzelte Achilles sie an. In seinem ganzen Leben hatte er nie etwas mit der Göttin der Liebe zu tun gehabt. Was wollte sie nun auf einmal von ihm?
»Die Prinzessin ist in Gefahr. Beeile dich!«, fauchte Venus ihn an.
Ohne zu zögern, packte Achilles sein Schwert und trat zu der Göttin. Venus hüllte ihn in ihren Umhang, und sie verschwanden beide.
Die Tentakel zogen Kat unter Wasser, sie konnte nichts dagegen tun. Sie konnte ihre Beine nicht mehr spüren, ihre ganze linke Seite war taub, und sie konnte kaum noch atmen. Zwar hatten die Wesen aufgehört, sie zu stechen, aber jetzt glitten ihre kalten Fangarme über ihren ganzen Körper, fast so, als wollten sie sie liebkosen. Träge bewegten sie sich im Rhythmus der Wellen, eine scheußliche Parodie von Schönheit und Anmut, während Kat verzweifelt nach Luft rang und sich mit letzter Kraft bemühte, zum Strand zurückzugelangen.
Inzwischen hatte ihre Panik sich gelegt, und ihr Verstand arbeitete wieder ganz nüchtern. Ihr war klar, dass ihr veränderter Zustand etwas mit dem Gift zu tun hatte, das sich langsam in ihrem Körper ausbreitete, trotzdem war sie dankbar dafür. Es war erst ein paar Minuten her, dass sie um Hilfe gerufen hatte. Aber wahrscheinlich war es bereits zu spät. Selbst wenn Venus noch erschien, würde das Gift Kat mit ziemlicher Sicherheit töten. Gerade hatte sie sich entschlossen, die Augen zu schließen und sich in das Unvermeidliche zu fügen, als die Welt um sie herum explodierte.
Aus einer Wolke Glitzerrauch erschien Achilles. Völlig distanziert sah Kat zu, wie er zu ihr ins Wasser sprang und mit seinem Schwert die Tentakel zerschnitt, die ihren betäubten Körper fesselten.
»Ah, Göttin! Nein, bitte, nicht! Polyxena! Hör mir zu, schließe nicht die Augen!« Achilles schien ihr das von fern zuzurufen, obwohl es Kat klar war, dass er sie berührte und sie aus dem Wasser zog.
Augenblicklich war es vorbei mit der gemächlichen Ruhe der Kreaturen. Fünf Fangarme schossen Achilles entgegen, schlangen sich um seinen Schwertarm, und Kat konnte den Moment erkennen, als sie ihn stachen, denn sie sah, wie er unter dem heißen Schmerz zusammenzuckte. Seine Augen begannen zu glühen, er schleuderte Kat blitzschnell an den Strand und watete dann mit einem raubtierhaften Zähnefletschen zurück in das Wasser.
Und dort verwandelte er sich.
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