Mythica 06 - Goettin des Sieges
Zusammengesunken, nach Atem ringend, beobachtete Kat das Geschehen. Als sie einen Blick auf sein Gesicht erhaschte, sah sie einen Fremden – einen, der mehr einem Dämonen ähnelte als einem menschlichen Wesen. Seine Augen glühten in einem rötlichen Licht, seine Lippen waren geöffnet, die Zähne gebleckt, und er stieß Laute hervor, die eher von einer wütenden Bestie als von einem Mann zu stammen schienen. Kat fand, dass er aussah wie ein surreales Foto von zwei übereinanderbelichteten Körpern.
Er handelte unmenschlich schnell und schnitt eine Schneise durch die wogende Masse der Wesen, die um ihn herumwimmelten. Offensichtlich war er gegen ihr Gift immun. Doch dann trat anstelle der zahllosen kleinen Tentakeln plötzlich ein riesiger Fangarm, so dick wie Achilles’ Taille. Trotz ihrer Lähmung stieß sie einen Schrei aus, als sie begriff, dass die kleinen Tentakel vorgehabt hatten, sie zu diesem Monstrum ins tiefe Meer hinauszuziehen, und einen Moment flammte die Panik wieder in ihr auf. Aber Achilles durchtrennte den Fangarm mit einem einzigen Schwerthieb, als bestünde er aus Wackelpudding, ein ohrenbetäubender, zischender Schrei gellte übers Meer, dann zogen sich sämtliche Tentakel in einer brodelnden Masse aus Blut und Schaum ins Meer zurück.
Brüllend setzte Achilles ihnen nach, aber sein Feind verschwand blitzschnell in der Tiefe des Meeres. Jetzt wandte er sich zu Kat um. Noch immer glühte das rote Feuer in seinen Augen, das sich in dem Blut auf seinem Körper spiegelte.
»Prinzessin …« Auch seine Stimme hatte sich verändert – sie klang tiefer, kehlig, überhaupt nicht wie die von Achilles. Er kam auf sie zu, den Mund noch immer gefährlich verzerrt.
Kat wollte mit ihm reden, wollte in Kontakt treten mit ihrem Geliebten, der doch immer noch im Innern des Monsters sein musste. Aber sie konnte nicht sprechen, konnte sich nicht bewegen, lediglich zusehen, wie das Monster, das ein Mann gewesen war, auf sie zukam, wutentbrannt, tödlich.
Hinter ihm leuchtete das Meer in einem silbernen Blitz auf, und eine freundliche, ruhige Stimme erscholl über die Wellen.
»Achilles, mein Sohn, komm zu mir.«
Schweratmend hielt Achilles inne und drehte sich langsam um, als müsste er gegen einen Widerstand ankämpfen. Kat sah eine wunderschöne Frau mit silberblonden Haaren aus den Wellen steigen.
»Thetis.« Aus Achilles’ Mund klang der Name wie ein Grollen.
Die Stimme der Meergöttin klang härter. »Mach dich davon, Berserker! Mein Sohn braucht dich heute nicht mehr.« Sie schnippte mit den Fingern, und eine kristallklare Welle ergoss sich über Achilles, bedeckte seinen Körper, und als sie sich wieder zurückzog, war alles Blut weggewaschen, das den Krieger befleckt hatte, und auch das Monster, das von ihm Besitz ergriffen hatte, war verschwunden.
Augenblicklich rannte Achilles aus dem Wasser und zu Kat. Sie war froh, dass seine Augen nicht mehr glühten, und er sah auch wieder aus wie er selbst – mit Narben übersät und unvollkommen, aber Achilles, ihr Achilles. Sie versuchte, ihn anzulächeln. Sie versuchte, die Hand zu heben und ihn zu berühren. Aber alles war weit weg und grau, und ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen.
»Mutter!«, hörte sie ihn rufen. »Bitte hilf ihr!«
Im Nu kniete die silberne Göttin neben ihrem Sohn, und ihr Lächeln war das zärtlichste und liebevollste, das Kat jemals gesehen hatte. »Natürlich helfe ich ihr, mein geliebter Sohn.« Die Göttin berührte Kats Stirn, und sie spürte Wärme und Liebe, und dann wurde alles schwarz.
19
Kat hörte Jackys Stimme, bevor sie die Augen aufschlug. Sie murmelte irgendetwas wie »Ach du große Scheiße« und »völlig sinnlos«. Kat lächelte. Falls sie diesmal wirklich gestorben und in der Hölle gelandet war, hatte Jacky sie wenigstens wieder begleitet. Sie schlug die Augen auf.
»Hey«, krächzte sie, »ich dachte, du passt auf, was du sagst, wenn du im Dienst bist.«
Sofort beugte Jacky sich über sie, fühlte ihren Puls und tupfte gleichzeitig ihr Gesicht mit einem feuchten Tuch ab.
»Katrina, Schätzchen, bist du wieder bei mir?«
»Wenn du mich Schätzchen nennst, muss es schlimm um mich stehen. Hab ich womöglich ein Bein verloren oder so?«
»Oh, dem Himmel sei Dank, du bist wieder bei uns.« Jacky küsste sie mitten auf den Mund. »Wage es bloß nicht, mich jemals wieder so zu erschrecken.«
»Na ja, weißt du, Jacky, es ist ja wirklich nicht so, dass ich diese grässlichen Dinger darum gebeten
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