Mythica Bd. 5 - Göttin der Rosen
Bewegung seiner erstarrten Muskeln zutraute, wenn ihr Duft nicht nachgelassen hätte.
Sie verließ ihn. Floh vor ihm.
Nein! Nicht schon wieder!
Die Angst, sie zu verlieren, war stärker als der Schmerz, und so spannte er seine Muskeln an und durchbrach die Barriere aus lähmender Dunkelheit.
Er witterte in die Luft. Ja, dort, eingebettet in die nächtlichen Gerüche von Rosen und Blut, war ihr Salböl. Mühsam setzte er seinen steifen Körper in Bewegung und folgte dem Duft, den er so gut kannte, durch den dunklen, unbekannten Garten. Alles in ihm schrie danach, durch die Rosenbüsche zu brechen, die sie voneinander trennten, und sie einfach zu packen, doch mit einer gewaltigen Willensanstrengung hielt er sich zurück. Er zwang sich zu warten, bis er das Biest in seinem Inneren besser kontrollieren konnte. Zu lang war er eingesperrt gewesen … seine Begierde war zu ungestüm … zu brutal. Wenn er sie jetzt an sich riss, würde er ihr nur weh tun, und damit wäre niemandem geholfen. Er musste sie so behutsam einfangen wie einen kleinen Vogel und sie dem Schicksal zuführen, dem sie entronnen zu sein glaubte.
Also unterdrückte er die wilde Gier in seinem Inneren und lief ihr einfach nur nach. In der Finsternis konnte er sie kaum sehen, aber das war auch nicht nötig. Das Salböl zog ihn an, genau wie sie selbst. Und sie war sich seiner Gegenwart bewusst. Er konnte ihre Angst spüren, aber da war auch noch etwas anderes – etwas nie Gekanntes strömte von ihr aus. In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass irgendetwas nicht stimmte. Er beschleunigte seine Schritte, als sie die Rosengärten verließ und eine kleine Insel von Licht erreichte, bevor er plötzlich abrupt stehen blieb.
Sie war nicht die Priesterin, für die er sie gehalten hatte. Vor Verwirrung und Enttäuschung wie gelähmt, stand er da und sah zu, wie sie in dem Lederbeutel herumwühlte, den sie über der Schulter trug. Offensichtlich suchte sie etwas, aber was? Eine Waffe? Sie bemühte sich fieberhaft, die Schatten hinter ihr mit ihren Blicken zu durchdringen – die Schatten, in denen er sich verbarg.
»Komm schon! Wo ist dieses verdammte Handy?«
Er hörte ihre unbekannte Stimme und sah, dass ihre Finger zitterten – so heftig zitterten, dass ihr die glatte Ledertasche aus den Händen rutschte und mit einem unschönen Krachen auf dem Steinboden landete.
»Scheiße! Scheiße! Scheiße!«, rief die Fremde, fiel auf die Knie und steckte ihre Hand in die Tasche, nur um sie im nächsten Augenblick mit einem kleinen Schmerzensschrei wieder herauszuziehen. An ihren Fingern klebte Blut.
Der Geruch – Blut, gemischt mit dem Salböl einer Hohepriesterin – traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Sie war nicht die Verräterin, doch sie war eindeutig von der Göttin gezeichnet. Und er musste dem Willen der Göttin gehorchen. Ohne länger zu zögern, bewegte er sich weiter auf sie zu, aber diesmal benutzte er seine neuerwachten Kräfte und verdichtete die Dunkelheit, um unsichtbar zu bleiben. Trotzdem hob sie den Kopf und starrte mit weitgeöffneten Augen in seine Richtung.
»Hab keine Angst«, murmelte er, darum bemüht, seine mächtige Stimme sanft klingen zu lassen.
»Wer bist du?«, stieß sie mit bebender Stimme hervor. »Was willst du von mir?«
Er spürte ihre panische Angst, und einen Moment bereute er, was er tun musste. Aber nur für einen Moment. Er kannte seine Pflicht, und diesmal würde er sie erfüllen. Bevor sie sich ihm entziehen konnte, jagte er mit unmenschlicher Schnelligkeit zu der Stelle, wo sie immer noch auf dem blätterbedeckten Boden kauerte. Sie starrte zu ihm empor, ohne ihn durch den Mantel aus Finsternis sehen zu können.
Sie war so klein … so menschlich …
Mit rauer Stimme befahl er der Dunkelheit, sie beide einzuhüllen, und für einen kurzen Augenblick schlang er seine massigen Arme um sie und hüllte sie in tosendes, schwindelerregendes Chaos. Die kühle Brise, die gerade noch sanft und einladend gewesen war, schlug plötzlich in einem Sturm von Gerüchen und Geräuschen auf sie ein und riss sie in einen Mahlstrom der Verwirrung. Der Boden schien sich zu öffnen, um sie zu verschlingen. Er bebte … schwankte … bäumte sich auf. Die Welt um sie herum verblasste und verschwand schließlich ganz, und ein gewaltiges Brüllen zerriss die Stille.
Wie eine Schlange, die in ihre Höhle zurückkriecht, zogen Finsternis und Biest sich zurück, und sie nahmen Mikado Empousai mit.
Zweiter Teil
8
Weich … alles
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