Mythor - 024 - Zweikampf der Zauberer
saß eine fette Spinne, langbeinig und behaart. In ihrem Netz hing mit verdrehtem Genick eine Maus.
Ein seltsamer Geruch lag in dem Zimmer: feuchtes Leinen, lange nicht gelüftet; Kellerboden, auf dem Pilze in die Höhe schossen; faulendes Laub in einem verschlammten Burggraben; der grässliche Gestank brennenden Fleisches; der stechende Geruch nach weißglühend gemachtem Foltereisen - das waren die Bestandteile des Geruchs, der sich Mythor unauslöschlich einprägte.
Jeder Winkel dieses Raumes atmete das Böse, schwitzte Unheil durch die schwarzen Poren aus.
»Kahan shidat elomay«, murmelte Sadagar und griff nach einer seiner Gemmen.
Magisches Gerät war zu sehen, seltsam aufgehäuft. Im Kamin brannte ein Feuer. Es sah aus, als züngelten die bläulichen Flammen aus menschlichen Gebeinen.
»Wenn Vassander hier zu Hause ist, dann wehe uns«, murmelte Mythor.
»Hehehehe!« machte eine Stimme. Mythor spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. So klang das Gemecker eines bösen Geistes, der wusste, dass ihm sein Opfer unentrinnbar in den Krallen saß, der sich am Zucken des Gequälten weiden wollte.
»Hahaha!« machte die Stimme wieder. Sie schien von allen Seiten gleichzeitig zu kommen. »Willkommen, Freunde!«
»Wir sind verraten worden«, flüsterte Sadagar schreckensbleich .
Mythor unterdrückte mit Mühe seine Panik. Solange er Alton in seiner Faust wusste, war er erfüllt mit Zuversicht.
Mochte der Spuk sie verhöhnen, gefährlich werden konnte er einstweilen nicht.
»Sieh dich um, Sadagar«, sagte Mythor.
Er selbst konnte jetzt wenig tun. Magie war seine Sache nicht, da waren andere berufener. Er wollte sichern, während Sadagar in den Aufzeichnungen des Erzmagiers nach brauchbaren Hinweisen suchen sollte.
»Ich habe Angst«, sagte Sadagar. »Lass uns das Gold nehmen und damit verschwinden.« Er deutete auf ein goldenes Astrolabium, mit dem Vassander wohl Himmelskunde betrieb. Das Gerät aus schwerem Metall war mit Zeichen und Symbolen förmlich übersät. Selbst Mythor konnte sehen, dass es sich um kein normales Gerät zur Sternbeobachtung handeln konnte.
Sadagar machte sich an die Arbeit, widerwillig, aber gründlich. Er fürchtete sich, und er hatte Grund dazu. Überall in dem Raum schienen Stimmen zu wispern und zu raunen, und nach dem Tonfall zu schließen, tauschten diese leisen Stimmen Geheimnisse des Grabes aus, erzählten sie sich die schaurigen Rätsel des Dunkels. Es hätte stärkere Nerven als der Sadagars bedurft, in diesem Raum die Sinne völlig beieinander zu halten .
»Sieh dir das an, Mythor!« rief Sadagar. »Schau nur!«
Er hatte nach dem Astrolabium greifen wollen, aber das Gerät widerstand dem Zugriff seiner Finger. Es rührte sich nicht von der Stelle, als sei es festgewachsen. Sadagar, schreckensbleich, griff nach einem anderen Gegenstand, der sich unter seinen Fingern sofort zu einem Nebelgebilde auflöste.
»Schwarze Magie!« flüsterte Sadagar. Er sah sich scheu um, als befürchte er, im nächsten Augenblick Drudin selbst zur Tür hereintreten zu sehen.
»Such, Sadagar!« drängte Mythor.
Die beiden hatten nicht viel Zeit. Vassander konnte bald zurückkehren, und Mythor traute sich nicht zu, es mit dem Erzmagier unvorbereitet aufzunehmen.
Sadagar stieß einen Pfiff aus. Er hatte ein Schriftbündel gefunden.
»Beim Kleinen Nadomir!« rief er.
»Was hast du gefunden?« fragte Mythor hastig.
»Formeln«, sagte Sadagar. »Ich kann den Text nicht richtig lesen, aber ich müsste mich sehr täuschen, wenn das nicht Auszüge aus dem Buch der Großen Geheimnisse sind, aus dem EMPIR NILLUMEN!«
Mythor stand mit zwei Schritten bei ihm. »Was sagst du da?«
»Sieh selbst«, sagte Sadagar. »Hier! Und diese Zeichen, ich habe sie schon einmal gesehen. Diese Texte sind ganz ohne jeden Zweifel Auszüge aus dem EMPIR NILLUMEN!«
Mythor wusste, was das bedeutete, aber Sadagar hatte noch weitere Erkenntnisse zu vermelden.
»Es ist seltsam«, sagte er und sah Mythor ratlos an, »aber irgendwie bin ich mir sicher, dass diese Handschrift von jemandem stammt, den wir gut kennen.«
Mythor runzelte die Stirn. »Doch nicht.?«
Sadagar nickte bekümmert. »Ich bin mir nicht völlig sicher«, sagte er, »aber alles spricht dafür, dass diese Abschrift von unserer gemeinsamen Freundin angefertigt worden ist. von der runenkundigen Fahrna.«
Mythor presste die Lippen aufeinander. Die Dinge wurden zusehends verwickelter, und langsam drohte er den Überblick zu verlieren.
Sadagar
Weitere Kostenlose Bücher