Mythor - 049 - Der Drachensee
gefahren waren. Die Besatzungen dieser beiden Boote waren nun am Werk, den großen Torbogen von hinten zu besteigen.
Mythor nutzte die Tatsache, dass es sich bei seinem Boot um ein Beutefahrzeug handelte; die Angreifer waren verwirrt, wussten nicht recht, was sie von den beiden Männern halten sollten, und als ihnen dann die Stakstange gegen die Leiber krachte, war der Kampf bereits entschieden. Mit weitem Schwung ließ Mythor die Stakstange kreisen, wie eine Sichel fegte sie über das gegnerische Boot hinweg und riss die Männer von den Beinen. Sie stürzten ins Wasser, schrien um Hilfe und versuchten, das noch schwimmende Boot zu erklettern. Wenig später war auch dieses Gefährt gekentert.
»Weiter!« rief Sadagar. »Ich mache mit dem Bogen weiter!«
Mythor stemmte sich mit Kraft gegen die Stakstange. Das Boot bewegte sich rasch vorwärts, hinein in das ausgedehnte Ruinenfeld, das früher einmal Erham gewesen war.
Offenbar hatten die Drachenbändiger ihr Glück im offenen Angriff von vorn gesucht. Die Flanken der Drachentöter waren jedenfalls unbedrängt. Mythor konnte Weiber und Kinder sehen, die Pfeile bündelten, Speerspitzen befestigten oder sich um Verwundete kümmerten. Von Drachenbändigern war nichts zu sehen.
»Vielleicht haben wir Glück«, sagte Mythor.
Der Kahn glitt weiter über das Wasser. Der Kampflärm hinter den beiden wurde immer schwächer, dann vollends vom Nebel geschluckt. Wer nicht wusste, dass wenige hundert Schritt entfernt gestritten und gelitten wurde, konnte glauben, es herrsche tiefer Friede überall. Ab und zu spähte Mythor in die Höhe. Er hielt nach Drachen Ausschau. Irgendwann, das wusste er, würden die Bestien in den Kampf eingreifen, und dann wehe denen, die nicht sofort eine Drachenschwirre zur Hand hatten.
»Hast du eine Ahnung, wo wir stecken?« fragte Sadagar. Er hielt den Bogen schussfertig in der Hand.
»In den Ruinen von Erham«, sagte Mythor. »Mehr weiß ich auch nicht.«
Sadagar deutete voraus.
»Dort, kannst du es sehen? Der Dämonenkopf, in dem Flüsterhand haust!«
Mythor nickte. Instinktiv hatte er offenbar den richtigen Weg gewählt. Mythor überlegte kurz, dann steuerte er an dem Riesenschädel vorbei – er wollte unbedingt wissen, wie es auf der anderen Seite der Ruinenstadt aussah.
Der Bereich hinter dem Sitz des Stummen Großen war nahezu menschenleer, es gab nur ein paar Alte, die träge in ihren Wohnhöhlen saßen, schliefen oder nach Fischen angelten. Wer immer eine Waffe zu führen verstand, hatte sich in der Nähe des großen Tores versammelt.
Mythor ließ das Boot noch ein paar Dutzend Schritte treiben.
»Kehren wir um«, sagte er dann. »Hier gibt es keine Angreifer – sie wären längst bis zu Flüsterhand vorgestoßen.«
Er wendete den Kahn und steuerte ihn zurück. Einen Augenblick lang zögerte er, ob er Flüsterhand aufsuchen sollte oder nicht, dann entschied er sich dafür, dem Stummen Großen einen Besuch abzustatten. Vielleicht war es dem Geheimnisvollen möglich, etwas über die Pläne der Angreifer in Erfahrung zu bringen.
Der Eingang war verlassen. Mythor band den Kahn fest und verließ das Boot. Sadagar folgte ohne Zögern.
Gelassen durchschritt Mythor die Gänge im Innern der riesenhaften Dämonenstatue. Niemand begegnete ihm. War Flüsterhand ganz allein zurückgeblieben?
Mythor fand den Stummen Großen in seiner Audienzhaltung; Flüsterhand saß reglos auf seinen Polstern, seine Augen blickten ins Leere. Er zögerte einen Augenblick, dann ging er quer durch den Raum auf den Stummen Großen zu.
»Es steht schlecht um Erham«, sagte Mythor halblaut. Er war sicher, dass Flüsterhand ihn verstand.
Flüsterhand bewegte die Schultern. Was soll’s, besagte die Geste.
»Ich frage dich, ob du die Pläne der Angreifer kennst, ob du imstande bist, deinen Dienern zu helfen.«
Flüsterhand rührte sich nicht.
»Ihr Blut fließt in Strömen«, sagte Mythor. »Es sind der Angreifer viele und der Verteidiger nur wenige. Willst du dich nicht rühren, um ihnen das Leben zu erhalten?«
Flüsterhand sah Mythor aus seinen harten dunklen Augen an.
»Es liegt an dir«, besagten die sparsamen Gesten des Stummen Großen.
Mythor klatschte in die Hände. Er sah ein, dass es ohne Hilfe schwer werden würde, mit dem uneinsichtigen Stummen Großen zu verhandeln. Wenig später erschien auch tatsächlich der Übersetzer.
»Aha«, sagte der Mann. »Seid ihr gekommen, euch dem Willen des Stummen Großen zu beugen?«
»Rede nicht,
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