Mythor - 054 - Vina, die Hexe
befand, brauchte er sich nicht mehr allzusehr mit dem Festhalten zu beschäftigen - solange er nicht den Fehler beging, nach unten zu sehen. Die schwindelnde Höhe machte ihm zu schaffen.
»Es ist ungerecht«, knurrte er, während er weiter nach oben kletterte. »Dutzende von Luftschiffen kreuzen über dem Meer, und ausgerechnet den Zugvogel mußte sich das Bürschlein aussuchen!«
Die Meduse war noch ziemlich jung, erkannte er rasch, war also nicht allzu groß. Immerhin reichte auch ihre relativ geringe Größe noch aus, dem Zugvogel gefährlich zu werden.
Gerreks Schnurrbarthaare kräuselten sich unwillkürlich, als er erkennen mußte, daß ein weiterer Fangarm der Meduse ihm den Weg versperrte. Und zwar hatte sich dieser Arm in den Haltegriffen festgeklammert.
Der Mandaler setzte erneut sein Schwert ein. Diesmal hatte er mehr Glück, weil die Meduse den Fangarm nicht schnell genug aus den Griffen herauswinden konnte. Zufrieden sah der Mandaler dem ebenfalls in die Tiefe stürzenden Fangarm nach. Unten würden sich die Raubfische freuen.
Inzwischen begann aber auch die Meduse zu merken, was gespielt wurde. Der Schmerz machte sie wütend. Leicht verlagerte sie ihr Gewicht und setzte jetzt weitere ihrer Fangarme ein. Gerrek sah jetzt auch das zweite Gebilde, das wie ein übergroßes Auge wirkte.
Wenn das Biest jetzt bloß nicht seine Lage änderte und ihm einen Luftstrahl entgegenblies…
Gerrek kletterte so schnell, wie er noch nie in seinem Leben als Beuteldrache geklettert war. Durch die eisige dünne Höhenluft arbeitete er sich nach oben.
Die beiden Riesenaugen drehten sich auf ihn ein. Die Meduse schielte ihn an.
Zwei Fangarme zugleich zuckten auf ihn zu. Gerrek erkannte, daß ihm sein Schwert jetzt nicht mehr helfen konnte. Nach zwei Seiten zugleich konnte er auch auf der oberen Rundung des Ballons nicht kämpfen.
Blitzschnell zuckten die Fangarme heran. Riesengroß sah Gerrek die Saugnäpfe und die winzigen Hautöffnungen, aus denen das Ätzgift austrat, vor sich auftauchen.
Da spie der Drache Feuer!
*
Eine lange Flamme brach aus seinem Rachen hervor und umzüngelte die beiden Fangarme, die sich um den Körper des Mandalers ringeln wollten. Die beiden langen, beweglichen Arme zuckten zurück. Flämmchen tanzten über ihre Oberfläche, versengte die Saugnäpfe und erloschen allmählich infolge des Windes.
Gerrek grinste. »Das hättest du nicht erwartet, he?« schrie er triumphierend und jagte einen zweiten, stärkeren Flammenstrahl zwischen den Zähnen hervor. Es war eine seiner besonderen Fähigkeiten, die ihm in solchen Situationen zugute kamen und ihn teilweise mit seinem Schicksal, ein verwunschener Mann zu sein, aussöhnten. Die Feuerzunge leckte über die Fangarme, raste daran empor und erreichte den Schirm der Meduse. Das quallenförmige Riesenungeheuer zuckte und wand sich und versuchte mit ein paar anderen Armen, die Flammen auszuschlagen.
»Ha, abscheuliches Getier!« schrie der Mandaler und schwang triumphierend sein Kurzschwert.
Er wehrte einen erneuten Gegenangriff der Meduse erneut mit seinem Feuer ab, merkte aber, daß er sich überraschend schnell verausgabte. Der jetzige Feuerstoß war schon nicht mehr so stark wie der vorhergehende. Ganz so einfach würde er es also doch nicht haben, wie er es sich im ersten Moment ausgemalt hatte. Der fliegende Pilz war immer noch stark und gefährlich.
Von seinen Gedanken hatte der Mandaler sich nur wenige Herzschläge lang ablenken lassen. Die Meduse nutzte die Gelegenheit sofort. Sie griff diesmal mit vier ihrer Fangarme an, darunter jene, die schon mit Gerreks Feuer in Berührung gekommen waren. Wieder spie Gerrek Feuer, setzte zwei der Arme in Brand und hackte den dritten mit kräftigen Schwerthieben ab. Die Meduse wand sich, ließ aber immer noch nicht locker. Im Gegenteil, mit dem vierten Fangarm erwischte sie Gerrek und legte ihn ihm um den Leib. Mit einem heftigen Ruck wurde der Beuteldrache davongerissen. Er mußte die Haltegriffe der Ballonhülle loslassen.
»Grrr!« machte Gerrek. »Laß sofort los, du Biest! Was glaubst du wohl, wen du vor dir hast? Mehr Respekt vor dem schönsten Beuteldrachen der Welt!«
Dabei wußte er selbst, daß sein lockerer Ton nur dazu diente, seine eigene Angst zu unterdrücken. Wenn die Meduse ihn ihrem Freßmund zuführte, war er verloren, aber auch, wenn er jetzt diesen Fangarm, der sich mit seinen Näpfen an ihm festsaugte, abhackte. Er würde in die Tiefe stürzen, und im Meer
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